Computex

Netzteilhersteller am Scheideweg

Hersteller von PC-Netzteilen haben derzeit kein leichtes Leben: Der Markt bricht zusammen, weil immer weniger PCs gekauft werden. Wer nicht untergehen will, sucht sich deshalb beizeiten ein neues Betätigungsfeld.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Was war das Leben anno 2006 noch schön: Da konnte man als Hersteller satte 399 Euro für ein PC-Netzteil aufrufen, und Kunden waren sogar bereit, diese stolze Summe für so einen Watt-Boliden mit einem Wirkungsgrad jenseits von gut und böse zu zahlen. Klar, erste Bestrebungen, Netzteile effizienter zu machen, gab es schon. Doch Geräte mit "80+"-Logo waren damals noch eine echte Seltenheit. Auch in den Folgejahren hatte die Branche kein Problem, gutes Geld zu verdienen. Zwar forderte der Markt Schritt für Schritt immer effizientere Netzteile mit "80+ Bronze"-, Silber- und Gold-Logo, doch kontinuierlich steigende Nachfrage ermöglichte selbst einer wachsenden Schar von Anbietern noch gute Geschäfte.

Ungemütlicher wurde es etwa ab 2010, als endgültig klar war, dass immer mehr ehemalige PC-Käufer ihr Geld lieber für Notebooks, Netbooks, Tablets oder Smartphones ausgeben. Ambitionierte Netzteil-Anbieter versuchten fortan, mit hocheffizienten und besonders leisen PC-Netzteilen Käufer zu finden. Das "80+ Platin"-Logo war da ein willkommener Verkaufshelfer, auch wenn der Effizienzgewinn hier trotz hoher Energiekosten kaum den zu zahlenden Mehrpreis rechtfertigte.

Netzteile für Server - hier sieht Enermax mittelfristig gute Verkaufschancen.

Inzwischen macht es nun noch wenigen Herstellern Freude, PC-Netzteile anzubieten – schließlich befindet sich der Markt für klassische Desktop-PCs im Sturzflug. Einfach weiter immer effizientere und dennoch immer billigere PC-Netzteile bauen, dieser Weg führt ziemlich sicher in die Pleite, das haben die meisten Hersteller längst erkannt. So bemüht man sich, neue Märkte zu erschließen, um den wegbrechenden Umsatz mit PC-Netzteilen so weit wie möglich zu kompensieren.

Ein naheliegender Weg ist, einfach andere Netzteile zu bauen und zu verkaufen. Server-Netzteile etwa. Doch dieser Markt ist bereits gut besetzt und die dort etablierten Anbieter machen es einem Newcomer garantiert nicht leicht. Dennoch möchte beispielsweise Enermax diesen Kampf aufnehmen und zeigt auf der Computex gleich eine ganze Batterie von Servernetzteilen in den verschiedensten Formaten. Man richte sich aber auf eine längere Durststrecke ein, verriet uns der Produktmanager.

Enermax-Netzteile (4 Bilder)

Enermax Triathlor

Vom Markt für Embedded-Netzteile verspricht sich Seasonic so einiges.

Deshalb präsentierte Enermax parallel dazu auch neue Varianten seiner Netzteil-Modelle für Einsteiger und Enthusiasten. Die Triathlor-Reihe erhält Zuwachs durch zwei Modelle mit dem Namenszusatz "Eco". Sie entsprechen im wesentlichen den Vorgängern und sind für Intels Haswell-Prozessoren geeignet. Daneben zeigte Enermax auch lüfterlose 80+ Platin-Modelle mit 550 und 650 Watt in drei unterschiedlichen Gehäusedesigns.

Andere Netzteile bauen, diesen Weg will auch Seasonic beschreiten. Allerdings sieht man hier eher in Modellen für den Embedded-Markt eine ertragreiche Zukunft. Hier balgen sich noch nicht so viel Anbieter um die Kunden, zudem sind die Margen in diesem Marktsegment vielversprechender.

Seasonic M12 II Evo - jetzt mit Kabelmanagement.

Da man aber momentan trotz des schrumpfenden Markts immer noch gute Geschäfte mit klassischen PC-Netzteilen mache, erklärte EU-Channel-Manager Nils Stallmacher im Gespräch mit heise online, erfuhren auch die etablierten Netzteil-Serien ein kleines Update. Die bereits seit Jahren gut laufende M12-Evo-Serie heißt nun M12-Evo II und wartet fortan mit "Full Cable Management" auf – sprich: Alle Verbindungen zu Board, Grafikkarte und zu den Laufwerken sind einzeln über zusteckbare Kabel realisiert. Zudem hat man die Lüfterregelung verbessert, sodass der Miefquirl in den meisten Betriebssituationen gar nicht laufen muss. Das vermindert den Lärmpegel enorm, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben.

Auch Seasonic bietet inzwischen ein 1200-Watt-Netzteil an - immerhin mit 80+ Logo auf Platinum-Niveau.

Auch im High-End gab es Neuerungen bei Seasonic: Die Platinum-Serie bekam Zuwachs. Wer mag kann nun auch ein 1200-Watt-Modell mit 80-Plus-Platin-Logo, Full-Kable-Management und optimierter Lüfterregelung bekommen. Sinnvoll ist so ein Watt-Strotz freilich nur, wenn im PC mehrere leistungshungrige Grafikkarten und etliche Festplatten stecken.

Andere Netzteile bauen und verkaufen, diese Idee erschien auch FSP verlockend. So entschied man sich, künftig auch Netzteile für Notebooks anzubieten. Doch wie bekommt man einen Notebook-Besitzer dazu, sich ein neues Netzteil für seinen Mobilrechner zu kaufen, er hat ja schon eines.

FSP Notebook-Netzteil (3 Bilder)

Nur 100 Gramm wiegt das neue Notebook- und Ultrabook-Netzteil mit 65 Watt von FSC.

FSP lockt die potentielle Kundschaft mit einem besonders leichten und kleinen Modell: Twickle 65 heißt der Winzling. Das 71×47,5×24 mm kleine schwarze Kästchen liefert bis zu 65 Watt, wiegt gerade einmal 100 Gramm und wird mit Adaptern für gängige Notebook und Ultrabooks ausgeliefert. Grade Käufer graziler Ultrabooks dürften durchaus bereit sein, Geld für so einen unauffälligen Energielieferanten auszugeben.

Power-Bank - Energie für unterwegs (4 Bilder)

FSP Walk 2200: bietet eine Kapazität von 2200 mAh und speist vornehmlich Smartphones.

Andere mobile Gerätschaften wie Tablets oder Smartphones will FSP mit Power-Banks für sich gewinnen. Die mobilen Akkupacks warten mit zwei USB-Lade-Ausgängen auf und bieten eine Kapazität von 2200 beziehungsweise 5200 mAH. Wirklich neu sind solche Mitnahme-Akkus allerdings nicht: Andere, ebenfalls vom schwindsüchtigen PC-Markt betroffene Hersteller wie etwa die Anbieter von Speichermodulen haben diese Gerätekategorie längst als neues Geschäftsfeld entdeckt. So bietet etwa Kingmax Power-Banks mit Lithium-Polimer-Akkus mit Kapazitäten zwischen 2100 und stattlichen 10400 mAh an –das erlaubt dann auch unterwegs das Aufladen energiehungriger großer Tablets.

Auch in Sachen Design sind hier einige Anbieter schon weiter als FSP. So zeigte Kingmax auf der Computex eine recht ansehnliche und besonders flache Power-Bank mit 4000 mAh mit Metall-Halbschale an, die recht gut mit Apples iPhones harmoniert. Wer nach einer etwas anderen Power-Bank sucht, wird dagegen bei Adata fündig: Hier gibts ein noch namenloses Modell "exclusively for women", das ein eine Puderdose erinnert und einen aufklappbaren Spiegel mitbringt.

Energieverbrauch in Echtzeit beobachten, das ermöglichen die neuen "Digital"-Netzteile von FSP.

Doch zurück zu FSP: Natürlich gab es beim Netzteil-Spezialisten auch Neues In Sachen PC-Netzteile zu sehen. Neben diversen überarbeiteten Modellen der bekannten FSP-Serien stach uns vor allem der Typ FSP700-50A1PA ins Auge. Das 700-Watt-Gerät mit 80+Platin-Logo schmückt sich mit dem Zusatz "Digital Power Suply". Dahinter verbirgt sich eine ins Netzteil integrierte Mess-Schaltung, die in Echtzeit die Stromabgabe auf den verschiedenen Spannungsschienen ermittelt und via USB an das Board weiterleitet. Dort ermöglicht ein mitgeliefertes Programm, sich ein Bild vom aktuellen Auslastungsgrad des Netzteils zu machen. Natürlich gibt es auch eine Temperaturüberwachung . Zudem lassen sich die Lüfterkennlinie und diverse andere Parameter in weiten Bereichen an die Vorlieben des Nutzers anpassen.

Es fehlt jedoch dieAnzeige der aktuellen Effizienz. Die könnte FSP natürlich leicht ebenfalls ausgeben, doch diverse Einkäufer hätten den Hersteller gedrängt, diesen Parameter doch besser unter den Tisch fallen zu lassen. Die Händler, so erklärte uns der Entwicklungsingenieur, hätten Bedenken. Schließlich würde die Anzeige bei Lasten unterhalb von 20 Prozent Wirkungsgrade anzeigen, die eben nicht oberhalb von von 92 Prozent lägen. Das ist zwar völlig in Ordnung für ein 80+-Platinum-Netzteil, da hier nur 92 Prozent Wirkungsgrad ab 20 Prozent Nennlast gefordert werden. Trotzdem könnten Käufer das Platin-Logo missverstehen und von einem hohen Wirkungsgrad unter allen Lastbedingungen ausgehen.

Silverstone verrät den Nutzer seiner Zeus-Netzteilserie auch per Smartphone-App, wie viel Energie der heimische PC grade verbrät.

Solche Bedenken plagen Silverstone hingegen nicht. Dort zeigte man auf der Computex ein ähnliches Überwachungssystem. Es gehört zu den neuen 80+-Platin-Netzteilen der Zeus-Familie, die mit Leistungen von bis zu 1200 Watt angeboten werden. Der aktuelle Wirkungsgrad wird hier prominent angezeigt – offensichtlich geht man bei Silverstone davon aus, dass die eigene Kundschaft verstanden hat, wie die 92 Prozent Wirkungsgrad eines Platinum-Netzteils zu verstehen ist. Sorgen macht man sich hier viel mehr um die Anbindung der Überwachungselektronik im Netzteil an den PC.

Für die Verbindung zwischen Netzteil und PC sorgen zwei WLAN-Dongle.

Natürlich wäre es einfach und elegant, hier schlicht einen USB-Port zu nutzen. Doch das hat sich Gigabyte bereits vor Jahren patentieren lassen. Der Ausweg von Silverstone heißt WLAN. Am Netzteil sitzt ein passender ansteckbarer Dongle, der die Signale ins Netz bringt. Ein zweiter Dongle versorgt den PC mit WLAN. Dort übernimmt eine Software die Anzeige der Messwerte und die Steuerung von Lüfter und Co. Der Nebeneffekt dieses Umwegs: Das Netzteil lässt sich auch per Smartphone steuern und überwachen – theoretisch auch von jedem Platz der Welt mit Internet-Zugang.

Netzteil in Hochglanz-Gehäuse, das Platinum-Modell Serenity von In Win.

Wer auf der Suche nach einem ausgefallen PC-Netzteil ist, wird auch bei In Win fündig. Dort entdeckten wir das 900-Watt-Modell Serenity – natürlich auch mit Platinum-Logo und mit hochfeinem Edelstahlgehäuse. Was das gute Stück kosten soll, wenn es denn im 4. Quartal des Jahres auf den Markt kommt, konnte uns der Hersteller leider noch nicht verraten. (gs)