Grüne wollen eine alternative Sicherheitskultur etablieren

Der dritte grüne Polizeikongress in Hamburg stand im Bann der Überwachungsprogramme PRISM und Tempora. Die Politiker fordern mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 185 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Auf dem 3. grünen Polizeikongress in Hamburg beschäftigten sich die Grünen mit der "Grundsteinlegung einer alternativen Sicherheitsarchitektur". Transparenz, ein unabhängiges Monitoring und die Evaluation von Sicherheitsinstrumenten auf wissenschaftlichem Niveau gehören zu den Grundsteinen dieser Architektur, die die Arbeit von Polizei, Geheimdiensten und des Militärs prägen soll. Die einzelnen Instrumente sollen dabei mit eingebautem Verfallsdatum eingesetzt werden. Für die Kontrolle der Polizei und des Militärs durch das Parlament wünschen sich die Grünen eine "Zwischenebene", in größeren Städten etwa einen Ombudsmann. Die Abschaffung des Verfassungsschutzes, eine Forderung des grünen Wahlprogrammes, wurde in Hamburg sehr kontrovers diskutiert.

"Irgendwann wird es den ersten grünen Innenminister geben - und die Arbeit wird für ihn ganz, ganz hart werden", so das Fazit eines grünen Parteimitgliedes am Ende eines langen Kongresstages. Wenn dieser Innenminister die Arbeit der Polizei und der Geheimdienste kontrollieren soll, soll dies im Namen der Transparenz als Ausdruck einer neuen Fehlerkultur geschehen, in der Fehler nicht gleich zu einer Anzeige gegen Polizisten führen. An die Stelle strikter Sicherheitsgesetze soll "sozialraumorientierte Präventionsarbeit" treten. Alles, was an einzelnen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit eingeführt wird, soll wissenschaftlich untersucht und gegebenenfalls abgeschafft werden. "Vieles von dem, was nach dem 11.9. beschlossen wurde, war völlig irrational", urteilte Professor Hartmut Aden von der HWR Berlin in seiner Keynote zum Auftakt des Kongresses.

"Sicherheit steht im Dienst der Freiheit und nicht umgekehrt", so Grünen-Chefin Claudia Roth in ihrer Grundsatzrede. Ausgehend von ihren Erfahrungen mit der türkischen Polizei machte Roth sich für Balance von Sicherheit und Freiheit stark. "Der Kampf gegen den Terrorismus darf nicht der Generalschlüssel für mehr Überwachung sein." Zu den Überwachungsmaßnahmen, die die Grünen ablehnen, gehört die Vorratsdatenspeicherung. Der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht stellte auf Anfrage eines Piratenpartei-Mitglieds hin klar, dass eine generelle Datenspeicherung aus den entsprechenden EU-Richtlinien herausgenommen werden müsse. Andere Maßnahmen lehnen die Grünen nicht rundweg ab. So erklärte Wolfgang Wieland, dass die gemeinsame Datensammlung der Terror-Abwehr-Datei nicht bedenklich sein, da sie nur eine "Anbahnungsdatei" sei für Anfragen, wer wo weiteres Material gespeichert hat.

Der grüne Polizeikongress stand ganz im Banne der Nachrichten rund um PRISM und Tempora. "Wenn das so durchläuft und keine Diskussion anstößt, dann kommt der Rechtsstaat unter die Räder, dann brauchen wir nicht über Datenschutz zu reden", meinte Konstantin von Notz. Er wünsche sich eine Polizei, die ausdrücklich erklärt, mit rechtsstaatlichen Mitteln operieren zu wollen. Von den mitdiskutierenden Polizeipraktikern nahm Oliver Malchow, der neue Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, eine differenzierende Einschätzung vor. Natürlich sei er froh, wenn er Hinweise wie die von der NSA bekäme, die zur Verhaftung der Sauerland-Gruppe führten. "Wir müssen uns aber mit dem Umfang dieser Datenspeicherung auseinandersetzen und uns fragen, was Deutschland will," so Malchow, der eine reinigende Debatte forderte.

Für die Beibehaltung des Verfassungsschutzes warb der stellvertretende Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Thorsten Voß. Mit der Auflösung seines Dienstes und die Ersetzung durch Bürgerinitiaven, die Material beispielsweise über Neonazis sammeln, sichten und bewerten, konnte sich Voss überhaupt nicht anfreunden. Die andere Möglichkeit, nach der Auflösung des Verfassungsschutzes eine politische Polizei zu etablieren, wurde wiederum von den Grünen abgelehnt. (ciw)