Technische Kniffe beim Gigabit-WLAN

Statt 600 MBit/s markieren demnächst 6900 MBit/s das Ende der WLAN-Fahnenstange. Die Verelffachung konnten die Entwickler des IEEE-Standards 802.11ac durch lineares Fortschreiben etablierter Techniken erreichen. Obendrein haben sie ein paar raffinierte Erweiterungen in den Standard gepflanzt.

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Eine echte Revolution beim WLAN gab es zuletzt anno 2005, als die ersten Geräte erschienen, die die sonst schädlichen Reflexionen in Gebäuden nutzbringend einsetzen. Mit mehreren parallel im selben Frequenzblock funkenden Antennen (MIMO, Multiple Input, Multiple Output) kann man damit nämlich mehrere räumliche Datenströme (Spatial Streams) gleichzeitig übertragen und so den Durchsatz hochtreiben.

Inzwischen hat sich die MIMO-Technik etabliert. Aktuelle Basen – Access Points, auch integriert in Router – schaffen mit drei Antennen bis zu 450 MBit/s brutto, vorgesehen sind sogar 4 Antennen und 600 MBit/s. Der zugehörige Standard 802.11n wurde erst im September 2009 – vier Jahre nach Erscheinen erster Produkte – ratifiziert. Er ist inzwischen in den aktuellen Basisstandard IEEE 802.11-2012 integriert.

Mit der Ergänzung IEEE 802.11ac soll der Durchsatz auf dem Funkkanal nun drastisch steigen, und zwar optional bis auf 6933 MBit/s. Das erreicht 11ac aber nicht mit einer neuen Revolution, sondern durch Weiterdrehen der drei Stellschrauben Kanalbreite, Modulation und MIMO-Streams.

Der erste, simple Trick bringt den größten Durchsatzgewinn. Er besteht in der nochmaligen Verbreiterung des verwendeten Funkkanals: Während die älteren WLAN-Standards 802.11b und 11g sich mit 20 MHz begnügten, belegt 11n wahlweise schon einen 40-MHz-Block aus dem Funkspektrum. 11ac verdoppelt dies auf 80 MHz und kann optional sogar 160 MHz nutzen.

Das klappt aber nur in dem für solche Anwendungen freigegebenen Spektrum bei 5 GHz. Denn nur hier stehen hinreichend große, zusammenhängende Frequenzblöcke zur Verfügung. In der EU sind mit bestimmten Auflagen – dazu gleich mehr – zwei Bereiche nutzbar: 5150 bis 5350 MHz (Kanal 36 bis 64) und 5470 bis 5725 MHz (Kanal 100 bis 140). In anderen Weltregionen liegen die Grenzen eventuell etwas anders, aber stets ist genug Platz für ein oder mehrere parallel funkende 11ac-WLANs. Falls die einzelnen Blöcke nicht groß genug für die Extrabreitspur 160 MHz sind, kann 11ac optional auch mit 2 spektral getrennten 80-MHz-Kanälen laufen (Discontiguous Mode).

IEEE 802.11ac belegt im 5-GHz-Band bis zu 160 MHz breite Kanäle, was in diesem bislang weitgehend freien Funkbereich absehbar zu Gedränge führen wird. Richtig viel Platz wird der Zimmerfunker 802.11ad bekommen: In Europa sind vier 2000 MHz breite Funkkanäle bei 60 GHz erlaubt.

Damit das ganze 5-GHz-Band nutzbar wird, müssen WLAN-Geräte zwei Techniken beherrschen, die Störungen anderer Funksysteme minimieren: Mit DFS (Dynamic Frequency Selection) soll eine WLAN-Basis unter anderem Radarsysteme – insbesondere Wetterradare bei 5,6 GHz – erkennen und ihnen durch Wechsel auf andere Kanäle ausweichen. Mit TPC (Transmit Power Control) steuern WLAN-Stationen ihre Sendeleistung dynamisch, schicken also beispielsweise Daten an Gegenstellen mit guter Funkverbindung mit reduzierter Leistung. Geräte, die DFS und TPC nicht beherrschen, dürfen hierzulande nur den 80-MHz-Frequenzblock 5150 bis 5250 MHz (Kanal 36 bis 48) nutzen. Das wird absehbar zu Nachbarschafts-Problemen führen, weswegen DFS und TPC essenziell für sinnvollen 11ac-Einsatz sind.

Der Übergang auf die höheren Frequenzen zieht ferner nach sich, dass 11ac-fähige WLAN-Router ein zweites Funkmodul mitbringen sollten, das ältere 11g/11n-Clients – unter anderem die meisten Smartphones und Tablets – bei 2,4 GHz bedient. Das war bei den in c't 19/2012 getesteten Routern der Fall; sie liefern im 2,4-GHz-Band bis zu 450 MBit/s brutto.