Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

Sage niemand, die deutsche Klimapolitik habe keine Prinzipien. Leider sind es die falschen.

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Sage niemand, die deutsche Klimapolitik habe keine Prinzipien. Leider sind es die falschen.

Wir erleben gerade offenbar einen Rollback der europäischen Klimapolitik. Alle Versprechungen werden in genau dem Moment einkassiert, in dem es konkret wird und irgendeine Lobby „Aua“ schreit. Ein Beispiel dafür ist das gescheiterte „Backloading“ von CO2-Emissionszertifikaten Mitte April. Und letzte Woche schoss Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar persönlich einen Kompromiss zur Verschärfung der CO2-Grenzwerte für Autos ab.

Bemerkenswert daran ist nicht nur, wie unverhohlen sie sich dabei von der deutschen Autolobby einspannen lässt – zuvor hatte nämlich ihr alter Kabinettskollege und jetziger VDA-Chef Matthias Wissmann in einem Brief die „Liebe Angela“ gebeten, etwas gegen die EU-Pläne zu unternehmen.

Bemerkenswert ist auch das Ausmaß der politischen Planlosigkeit, das sich wieder einmal offenbart. Natürlich ist es legitim, die Interessen von Klimaschutz und Industrie gegeneinander abzuwägen, und sich gegebenenfalls für die der Industrie zu entscheiden. Dann muss man aber im Gegenzug Ideen entwickeln, wie man seine Klimaziele auf anderen Wegen zu erreichen gedenkt. Davon ist aber weit und breit nichts zu sehen. Der Emissionshandel ist tot, das EEG unter Beschuss, der Strommarkt siech, die Energieeffizienz vernachlässigt, die Elektromobilität abgehängt. Das einzige durchgängige Prinzip der Klimapolitik ist derzeit „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“.

Dabei ist noch gar nicht einmal gesagt, dass der Wirtschaft wirklich durch solche Manöver geholfen wäre. In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ weist der Sozialforscher Thomas König darauf hin, dass die Schreckensszenarien, mit denen die Autoindustrie in der Vergangenheit vor strengen Umweltauflagen gewarnt hat, meist heillos überzogen waren. König ist Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs „Die Politische Ökonomie von Reformen“ und hat an der von Greenpeace beauftragten Studie „Off track – Inflated claims of the car industry“ mitgewirkt. Die Untersuchung ist zwar schon fünf Jahre alt, aber es lohnt sich trotzdem, noch einmal reinzulesen. So behauptete die Autoindustrie laut Studie, der Einbau von Katalysatoren mache Pkws um 420 bis 560 Euro teurer. Tatsächlich waren es nur 40 bis 70 Euro. Und um die Abgasnormen Euro 3 und Euro 4 zu erreichen, mussten nicht 102 bis 178 Euro pro Fahrzeug investiert werden, sondern nur rund 51 Euro.

Zudem senken weniger ambitionierte Ziele den Anreiz für Autohersteller, sich durch Innovationen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, wie Michail Hengstenberg in einem offenen Brief an Matthias Wissmann sehr pointiert dargestellt hat. BMW zum Beispiel hat viel Geld in die Produktion von CFK-Karosserien für seine künftigen Elektroautos investiert. Das rentiert sich nur in Verbindung mit ambitionierten CO2-Zielen. Zumindest diesem Geschäftszweig von BMW hat die Merkel-Aktion eher geschadet als genützt. Auch VW steht zu den CO2-Plänen der EU. Merkel hat ihr gesamtes politisches Gewicht also nicht nur in den Dienst einer einzigen Branche gestellt, sondern in den eines kleinen Teils einer einzigen Branche. (grh)