RoboCup-WM: Probleme mit dem aufrechten Gang

Auch die Spielfelder völlig eben sind, purzeln die Roboter bei der RoboCup-WM in Eindhoven immer hin. Was macht den aufrechten Gang eigentlich so schwierig für zweibeinige Roboter?

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Mancher Zuschauer, die bei der 17. RoboCup-Weltmeisterschaft humanoiden Robotern beim Fußball gesehen haben, mag sich fragen, was den aufrechten Gang für Roboter eigentlich so schwierig macht. Denn die künstlichen Spieler purzeln immer wieder hin, obwohl die Spielfelder völlig eben sind und keine Hindernisse in der Nähe liegen.

In den ersten Tagen eines RoboCup-Turniers legen sich die Roboter noch häufig lang. Das dürfte zum Ende hin jetzt seltener werden.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Grundlegende Fähigkeiten wie Gehen sind bei zweibeinigen Robotern immer noch eine Herausforderung. Die RoboCup-Teams brauchen in der Regel ein paar Tage, um das Laufverhalten ihrer Roboter an die Spielfelder anzupassen, deren Untergrund sich immer mehr oder weniger von den Übungsfeldern an den heimischen Universitäten unterscheidet. Auf einmal haften die Füße stärker am Boden als bisher oder sie rutschen häufiger. Da ist es für den Wettbewerb entscheidend, möglichst rasch die richtigen Einstellungen in der Software zu finden – oder adaptive Systeme zu entwickeln, die selbstständig das Laufverhalten optimieren.

Das langfristige Ziel des RoboCup, bis zum Jahr 2050 mit humanoiden Robotern die Fußball-Weltmeisterschaft zu gewinnen, erfordert es allerdings auch, immer wieder Risiken einzugehen und bei den Turnieren Neues auszuprobieren. Schließlich müssen Roboter, die mit Menschen um die Wette kicken sollen, nicht nur gehen, sondern auch rennen und springen können. Das ist mit der heute gängigen Hardware, bei der die Gelenke durch Servomotoren bewegt werden, nicht möglich, sondern erfordert elastische, nachgiebige Gliedmaßen.

Beim Roboter des Rhoban Fooball Club im Vordergrund ist zwischen Hüfte und Bein die Feder zu erkennen, die Stöße beim Auftreffen dämpfen soll.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

So hat das Team Rhoban Football Club von der Universität Bordeaux seine Kid-Size-Roboter an jedem Bein mit einer Feder ausgestattet, die in erster Linie die Stöße beim Kontakt des Fußes mit dem Boden auffangen soll. Das soll ein geschmeidigeres Gehen ermöglichen, erfordert aber neue Kontrollverfahren. „Wir probieren noch viel herum“, sagt Teamleiter Olivier Ly. „Es ist uns wichtig, Neuland zu betreten.“

Auch das Team WF Wolves von der Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaften wollte eigentlich einen gefederten Roboter aufs Spielfeld schicken, versäumte es aber einen ausreichenden Vorrat unterschiedlich starker Federn nach Eindhoven mitzubringen. Ohne die Möglichkeit, die Elastizität anpassen zu können, verzichtete das Team auf den Einsatz des gefederten Gelenks, der ohnehin nur bei einem Spieler geplant war.

Bislang wird das zweibeinige Laufen bei Robotern noch häufig nach dem Zero-Moment-Point-Verfahren kontrolliert, bei dem es darauf ankommt, den Schwerpunkt über einer durch die Fußstellung definierten Fläche zu halten. „Davon wollen wir wegkommen“, sagt Teamgründer Reinhard Gerndt. „Beim Rennen sind beide Beine in der Luft, da hilft Zero Moment Point nicht mehr weiter.“ Die Stabilisierung des Laufens kann dann nicht mehr ausschließlich durch den Computer erfolgen, sondern erfordert auch ein intelligentes mechanisches Design. Fachleute sprechen von „morphological computing“. In den kommenden Jahren wird auch beim RoboCup gewiss mehr davon zu sehen sein.

Cosero (Team NimbRo) weiß mit Gießkannen umzugehen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

In den anwendungsorientierten Ligen für Rettungs- und Haushaltsroboter spielt das Laufen noch gar keine Rolle. Aber auch die Fortbewegung auf Rädern oder Ketten bietet keinen perfekten Schutz vor Stürzen. So drohte der Roboter Cosero des Teams NimbRo umzukippen, als er sich in der RoboCup@home Arena einem Tisch näherte. Nachdem der Roboter vom Menschen ein Stück geschoben worden war, hatten die unten angebrachten Sensoren offenbar keine Möglichkeit mehr, die Tischplatte zu erkennen, die oben die Fortbewegung blockierte. Hier half nur noch beherztes Zupacken durch menschliche Retter. Zuvor hatte der Roboter sehr eindrucksvoll gezeigt, wie er mit einer beliebigen Gießkanne hantieren kann, selbst wenn er die Handhabung zuvor mit einem anderen Modell gelernt hat. Die Software erlaubt es, die Greifpunkte auch bei unterschiedlich geformten Kannen zu finden.

Die RoboCup@home League soll heute abend Thema einer Talkshow sein, die die Veranstalter ab 21 Uhr im Live-Stream auf der Homepage des Turniers übertragen. Da gibt es dann wahrscheinlich allenfalls verbale Stolperer. (axk)