Gerücht um Snowden: Boliviens Präsident Überflugrecht verweigert

Wohl weil sie vermutet haben, dass sich Edward Snowden an Bord befindet, haben mehrere europäische Staaten dem Flugzeug von Boliviens Präsident Evo Morales den Überflug verweigert. In Südamerika wird das Geschehen als Affront gewertet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 826 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Offenbar weil es Gerüchte gab, dass sich Edward Snowden an Bord befand, musste das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in der Nacht zum Mittwoch in Wien zwischenlanden. Frankreich, Italien, Spanien und Portugal hätten der Maschine auf ihrem Weg von Moskau nach La Paz die Überflugrechte verweigert, berichtet der österreichische Standard. Der ebenfalls an Bord befindliche Verteidigungsminister des Landes habe noch in der Nacht empört von "blöden Gerüchten" gesprochen. Österreichische Grenzbeamte waren laut Außenministerium an Bord und haben das bestätigt.

Evo Morales sitzt in Wien fest.

(Bild: Olivera Stajić )

Der diplomatische Zwischenfall rund um den Enthüller der umfangreichen NSA-Überwachung sorgt in Südamerika für Aufruhr. Laut einem Tweet von Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner hat der peruanische Präsident Ollanta Tasso für den heutigen Mittwoch ein Treffen des südamerikanischen Staatenbundes UNASUR einberufen. Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa forderte auch auf Twitter, Südamerika müsse sich vom kolonialen Status befreien und die eigene Freiheit, Unabhängigkeit und Würde wieder herstellen. Dem Standard zufolge fehlen der bolivianischen Maschinen derweil nur noch die Überflugrechte über Spanien, das zuständige Büro öffne erst um 9 Uhr.

Österreichs Innenministerin Mikl-Leitner hat im ORF erklärt, ihr Land habe keine Angst vor den USA. Immerhin habe man dem Flugzeug nicht den Überflug verweigert. Wäre Snowden tatsächlich an Bord gewesen, hätte man ihn identifiziert und ein Asylverfahren eingeleitet. Sie verstehe die Sympathien für Snowden, weil er die gegenwärtige Diskussion losgetreten habe. Bezüglich der Überwachungsvorwürfe verlangte sie deshalb auch Aufklärung von den USA. Dazu habe man der Regierung in Washington einen Fragenkatalog übergeben, den man mit Deutschland erarbeitet habe.

In Deutschland hat unterdessen Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) die Weigerung der Bundesregierung verteidigt, Edward Snowden Asyl oder zumindest Aufenthalt in Deutschland zu gewähren. Dies sei "eine rechtlich fundierte" Entscheidung gewesen, sagte er im ARD-Morgenmagazin. "Wir haben klare Voraussetzungen für Asylverfahren und für den Anspruch auf Asyl, und die Voraussetzungen waren bei Herrn Snowden nicht gegeben."

Die Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, des für die Geheimdienste zuständigen Bundestagsgremiums, an diesem Mittwoch zu den US-Spionageaktivitäten in Europa und Deutschland sei "ein Schritt auf dem Weg zur Aufklärung". Die Bürger müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Daten nur erhoben werden, wenn es auch eine klare Rechtsgrundlage dafür gebe, sagte Grosse-Brömer. Mit Blick auf die eventuelle Nutzung von Wissen, das die USA durch diese Aktivitäten gewonnen haben, etwa durch den Bundesnachrichtendienst, erklärte er es aber für sinnvoll, dass deutsche Dienste ihre ausländischen Partner nach deren Erkenntnissen fragten, wenn Terrorgefahren drohten.

Edward Snowdens Vater hat seinem Sohn unterdessen einen offenen Brief geschrieben und ihn mit den amerikanischen Freiheitskämpfern des 18. Jahrhunderts verglichen. Er sei ein moderner Paul Revere, der die US-Amerikaner aufrufe, sich der wachsenden Gefahr von Tyrannei entgegenzustellen. Sein Sohn stimme sicher mit ihm darin überein, dass es das Ziel eines Staates sei, seinen Bürgern die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und nicht durch Macht, Gewalt und Spionage die "planetare Dominanz" an sich zu reißen.

[Update 03.07.2013 12:00 Uhr] Nach einigem Hin und Her bezüglich der Gewährung des Überflugrechts von Spanien ist das Flugzeug von Evo Morales inzwischen vom Wiener Flughafen gestartet, berichtet Die Presse. Es dürfe auch auf Gran Canaria einen Zwischenstopp zum Tanken einlegen. Unklar bleibt laut Standard, ob österreichisches Personal tatsächlich das Flugzeug betreten hat.

(mit Material von dpa) / (mho)