Wohnen und sparen

Wer den Energieverbrauch verringern will, muss bei den Gebäuden anfangen. Doch Energieeffizienz kommt nicht allein durch dicke Dämmung. Ganzheitliche Konzepte für Quartiere und Städte sind gefragt.

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Von
  • Bernd Müller

Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse: Derzeit verschlingen wir die Ressourcen von 1,3 Erden, bis 2050 könnten es sogar drei Erden sein. Dann leben mehr als neun Milliarden Menschen auf unserem Planeten, voraussichtlich 70 Prozent von ihnen in Städten – heute sind es 50 Prozent. Die sind die Hauptverbraucher von Luft, Wasser, Boden, Energie und Rohstoffen. Alle Städte zusammen verschlingen schon heute 75 Prozent der weltweit eingesetzten Energie und verursachen gut 80 Prozent der Treibhausgasemissionen – obwohl sie nur ein Prozent der Erdoberfläche bedecken. Das erfordert riesige Anstrengungen und Investitionen in die Infrastruktur. Bis 2050 müssen so viele Gebäude, Straßen, Abwasserleitungen gebaut werden wie in der ganzen bisherigen Menschheitsgeschichte.

Mit den alten Technologien zum Fahren, Heizen, Beleuchten ist das nicht zu schaffen, sie verbrauchen zu viele Ressourcen. Mittlerweile gibt es aber unzählige Technologien, um den Energiehunger großer Metropolen zu drosseln und ihr Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Besonders schnell rechnen sich Maßnahmen bei Gebäuden, die 40 Prozent der weltweiten Primärenergie verschlingen. Im Schnitt lässt sich mit moderner Licht-, Heizungs- und Klimatechnik 40 Prozent dieser Energie einsparen.

Das McKinsey Global Institute hat nachgerechnet, wie sich der Energieverbrauch von Städten möglichst kostengünstig verringern lässt. Auch hier haben vier der fünf kostenwirksamsten Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes mit Gebäudeeffizienz zu tun, noch vor allen anderen Maßnahmen etwa zur Erzeugung von Wind- oder Sonnenenergie. Besonders lohnend sind demnach Gebäudedämmung, effiziente Beleuchtungssysteme, neue Klimatisierungskonzepte sowie Warmwasserbereitung und Kühlung.

Die gute Nachricht: Alle Technologien, um den Energiehunger von Städten und insbesondere von Gebäuden zu drosseln, gibt es bereits. Manche setzen auf Low-Tech – etwa die Dämmung der Außenwände mit Dämmplatten aus Glaswolle oder den neuen, sehr dünnen Vakuumpaneelen, die vor allem für denkmalgeschützte Altbauten interessant sind. Bei Neubauten, insbesondere im gewerblichen Bereich, zieht dagegen immer mehr Hightech ein. Ein Beispiel ist die neue Puma-Zentrale in Herzogenaurach. Ihr Erfolgsgeheimnis sind nicht einzelne besonders ausgetüftelte Energiesparmaßnahmen, sondern deren intelligente Verknüpfung. Dafür sorgt die Gebäudeautomatisierung Desigo von Siemens. Die Steuerung der Multimediahalle bei Puma beherrscht verschiedene Klimaszenarien, die automatisch ablaufen, je nach Belegung der Halle, die 1500 Menschen fasst.

Zweite Haut aus Keramik: Wie viel Energie eine vernetzte Gebäudeautomation sparen kann, zeigt das New York Times Building in Manhattan. Die Glasfassade über 52 Stockwerke hat eine zweite Fassade aus beweglichen Keramikelementen, die den Einfall des Sonnenlichts anpasst. Sensoren überwachen das Gebäudeklima und steuern Beleuchtung, Wasserkühlung und die Energieerzeugung aus einer Kraft-Wärmekopplungs-Anlage. So gibt es Sensoren, die anhand des CO2-Gehalts in der Luft erkennen, ob sich jemand in einem Raum aufhält. Falls nicht, dimmt die Steuerung separat jede der mehr als 18.000 Leuchten und fährt die Heizung herunter. Der 319 Meter hohe Wolkenkratzer in New York erzielt so eine Energieeinsparung von 30 Prozent verglichen mit ähnlichen Gebäuden.

Professor Hartmut Hillmer, Leiter des Instituts für Nanostrukturtechnologie und Analytik der Universität Kassel, hat ebenfalls den Energieverbrauch im Blick – aber auch das Wohlfühlambiente der Nutzer. Der Physiker hat Mikrospiegel entwickelt, die zu Millionen in der Glasscheibe sitzen. Legt man eine elektrische Spannung an, verbiegen sie sich und reflektieren das Sonnenlicht, wenn es draußen heiß ist und der Raum unbenutzt, oder lenken das Licht dorthin, wo es gebraucht wird, etwa an die Decke, auf eine lichthungrige Pflanze oder auf den Schreibtisch. Etwa 1000 Euro wird die Scheibe pro Quadratmeter kosten. Das ist für den Besitzer eines Einfamilienhauses deutlich zu teuer, für edle Banktower wie in Frankfurt mit ihren ohnehin teuren Glasfassaden aber erschwinglich. „Ich habe mit Architekten gesprochen und die wollen das unbedingt haben, der Preis spielt offenbar keine Rolle“, sagt Hillmer.

Gebäudeautomation ist nicht nur für Wolkenkratzer interessant. Überall wo geheizt, klimatisiert, beleuchtet wird und wo Menschen und Maschinen arbeiten, lohnt sich die Steuerung. Viele Unternehmer schrecken davor zurück, weil sie den Aufwand und die Kosten scheuen, häufig wissen sie auch gar nicht, wo unnütz Energie verpufft. Für sie gibt es Energiedienstleister wie Bosch Energy and Building Solutions, die vom Audit über Planung bis zum Betrieb alles übernehmen. Der Vorteil für den Kunden: Die Dienstleistung bezahlt sich von selbst aus den Einsparungen.

Schöner Wohnen im klugen Haus: Auch kleine Wohngebäude profitieren von Gebäudeautomation. Für sie gibt es Haussteuerungen, die selbsttätig heizen oder verdunkeln. Die sind schon lange auf dem Markt, doch saftige Preise und die feste Verkabelung, die nur in Neubauten Sinn macht, verhinderten lange den Durchbruch. Seit einigen Jahren gibt es Lösungen zum Nachrüsten, die über WLAN und Steckdose funktionieren, wie SmartHome des Energiekonzerns RWE, das als „Sorglospaket“ mit zentraler Steuerung ab 269 Euro kostet.

Damit das auch einfach zu bedienen ist, bieten mittlerweile alle Produkte die Steuerung über mobile Endgeräte an, also über Smartphone und Tablet. So kann man im Urlaub checken, ob zuhause das Fenster offen steht oder man kann die Heizung runterregeln – mit einem simplen Wisch übers Smartphone-Display via Internet. Die Haussteuerung könne 15 bis 35 Prozent Heizkosten einsparen, verspricht RWE. Wer seine Wohnung vollständig aufrüsten will, muss mit Kosten von ungefähr zehn Euro pro Quadratmeter rechnen.

Nach wie vor unbefriedigend ist die Kompatibilität der verschiedenen Systeme. Wer sich für ein Produkt eines Herstellers entscheidet, muss dabei bleiben, die durchgängige Vernetzung des ganzen Hauses – also von Heizung, Klima, Pool, Alarmanlage und Unterhaltungselektronik – ist nur durch Spezialanpassungen zu erreichen, wie sie die inHaus GmbH in Duisburg anbietet, die aus dem gleichnamigen Fraunhofer-Zentrum hervorgegangen ist.

Ein Haus kommt nicht allein: Ein Ersatz für klassische Maßnahmen wie Dämmung oder Solartechnik sind Haussteuerungen aber nicht. Eine nachträgliche Dämmung spart locker ein Drittel Energie. Nimmt man ganze Stadtquartiere in den Blick, könnte es noch mehr sein. Sabine Dramaix, beim Projektträger Jülich für die Umsetzung des Förderschwerpunkts EnEff:Stadt des Bundeswirtschaftsministeriums zuständig, plädiert für einen Top-Down-Ansatz: „Man sollte ein Gebäude nicht getrennt von den Nachbargebäuden oder von der Energieversorgung betrachten.“ Deshalb untersucht EnEff:Stadt ganze Quartiere mit unterschiedlicher Nutzung, etwa alte Dorfkerne, Mischgebiete aus Wohn- und Industriegebäuden, aber auch Konversionsgebiete wie alte Kasernen.

Ein Beispiel ist das Alte Zöllnerviertel in Weimar mit seiner typischen innerstädtischen Mischbebauung. Die Gebäude sind schlecht gedämmt und werden teilweise noch mit Kohleöfen beheizt. Eine Dämmung um jeden Preis lehnt Carsten Beier vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT ab. Superdämmung in Kombination mit einer Fernwärmeversorgung, das mache keinen Sinn. Wenig begeistert ist der Fraunhofer-Experte von Plusenergiehäusern. Dank guter Wärmedämmung und Photovoltaikanlage erzeugen sie mehr Energie, als sie verbrauchen, doch unterm Strich sind sie meist die teuerste Form des Energiesparens. „Diese Erkenntnis setzt sich langsam auch bei gebäudeorientierten Planern durch“, sagt Beier. Gebäude und Versorgung müssten als Einheit verstanden werden.

Das gilt auch für die Verzahnung von Strom und Wärme. In herkömmlichen Gebäuden sind beide getrennt. Der Strom kommt aus dem öffentlichen Netz, eventuell steht auf dem Dach eine Photovoltaikanlage, die Strom ins Netz speist und so die Energiebilanz schönt. Und für die Heizung ist ein Gas- oder Ölbrenner im Keller zuständig. Die Kraft-Wärme-Kopplung vereint beides in einem Schrank: Ein Gasmotor erzeugt über einen Generator Strom, seine Abwärme speist die Heizung. Stammt das Gas aus verrottender Biomasse, ist die CO2-Bilanz sehr gut. Zur Nahwärmeversorgung etwa in Neubauquartieren sind solche Blockheizkraftwerke heute Standard, für einzelne Wohnhäuser sind sie zu teuer.

Hoffnungsträger Brennstoffzelle: Hier sollen Brennstoffzellen zum Zuge kommen, die auch als Hoffnungsträger für Elektroautos gelten, dort allerdings mit Wasserstoff als Energieträger. Brennstoffzellen in Gebäuden erzeugen aus Erdgas Strom und Wärme. Vaillant testet solche Mini-Blockheizkraftwerke seit 1997. Doch erst jetzt scheint der Durchbruch zu gelingen, weil die Probleme mit der Alterung der Zelle überwunden sind. Andere Hersteller ziehen nach, etwa die schweizerische Hexis AG, die ebenfalls eine wechselvolle Geschichte in der Branche hinter sich hat, oder Elcore in München. Beide bieten bereits Brennstoffzellen für den Keller an, die angeblich viele Jahre halten sollen.

Auch die Brennstoffzellen-Kraftwerke arbeiteten bisher wärmegeführt, lieferten also vor allem Wärme für die Heizung, Strom war ein Abfallprodukt. Für das intelligente Stromnetz der Zukunft – das Smart Grid – ist das uninteressant, weil solche Anlagen wenig elektrische Energie liefern und sich zudem nicht je nach Stromnachfrage steuern lassen.

BlueGen soll diese Hürde überwinden. Das kleine Brennstoffzellenkraftwerk liefert 1500 Watt elektrische Leistung und 610 Watt Heizleistung, wobei der elektrische Wirkungsgrad bei 60 Prozent liege, kombiniert mit der Wärme sogar bei 85 Prozent, verspricht der Hersteller Ceramic Fuel Cells in Aachen. Weil der Schwerpunkt auf der Stromerzeugung liegt und sich viele solche Anlagen über das Internet vom Energieversorger zu einem virtuellen Kraftwerk zusammenspannen lassen, ist BlueGen ideal für das Smart Grid. Doch auch hier gilt: Das Hightech-Kraftwerk ist nur etwas für betuchte Hausbesitzer, die 25.000 Euro übrig haben. Wahrscheinlicher ist, dass solche Anlagen von Energieversorgern im Contracting betrieben werden, der Hausbesitzer kauft also nicht die Anlage, sondern bezahlt nur die Wärme und den selbstgenutzten Strom.

Wärme auf Rädern: Ein Schlüssel zu mehr Energieeffizienz ist die Fernwärmeversorgung, wobei die Wege kürzer werden, etwa durch dezentrale Blockheizkraftwerke. Doch immer noch verpufft der Löwenanteil von Abwärme aus Biogasanlagen, Chemiewerken oder Stahlhütten ungenutzt in die Umwelt, weil der Bau einer Fernwärmeleitung in Gebiete mit älterer Bebauung nicht lohnt. Da hilft Wärme auf Rädern: LaTherm hat einen Wärmespeicher gefüllt mit harmlosem Natriumacetat entwickelt, der in einen sechs Meter langen Container passt und der 2,5 Megawattstunden Wärme speichert, was etwa dem jährlichen Heizbedarf einer 50-Quadratmeter-Wohnung mit Standarddämmung entspricht. Geladen wird der Speicher in zwölf Stunden, dann fährt ihn ein Lkw zum Verbraucher, wo er langsam seine Wärme abgibt, etwa in die Zentralheizung eines Mehrfamilienhauses oder einer Schule.

Regelmäßig sanieren spart Geld: Der Löwenanteil des Energiesparpotenzials älterer Gebäude lässt sich auch ohne Hightech erschließen, einfach durch regelmäßiges Sanieren. Doch viele Immobilienbesitzer schieben Sanierungsmaßnahmen auf, um Geld zu sparen. Ausgerechnet die öffentliche Hand geht angesichts leerer Kassen mit schlechtem Beispiel voran. Doch am Ende wird es immer teurer. Bei Schulen, Turnhallen oder Verwaltungsgebäuden steigen die Sanierungskosten 30 bis 40 Jahre nach der Errichtung sprunghaft an. Das hat Professor Kunibert Lennerts vom Institut für Technologie und Management im Baubetrieb des Karlsruher Instituts für Technologie errechnet. Lennerts hat einen Effizienzfaktor für die Instandhaltung von Gebäuden und daraus Strategien für das nachhaltige Gebäudemanagement entwickelt. Lieber regelmäßig ein bisschen sanieren, als die Sanierung auf die lange Bank zu schieben, empfiehlt der Professor. Drei bis sechs Euro pro Quadratmeter und Jahr seien optimal – auch für die Umwelt, die durch Einsparungen beim Energieverbrauch profitiert.

Dass durch eine ganzheitliche Sanierung aus einer Energieschleuder ein Mini-Kraftwerk werden kann, soll die Uhlandschule in Stuttgart-Zuffenhausen beweisen. Die Landeshauptstadt saniert ihr Gebäude aus dem Jahr 1954 nach einem wegweisenden Konzept des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik. Das sieht eine hocheffiziente Dämmung im Dach und an der Fassade vor, in der auch Teile der Anlagentechnik integriert werden, eine hybride Lüftung, die 85 Prozent der Wärmeenergie aus der Abluft wiedergewinnt, eine hocheffiziente LED-Beleuchtung ergänzt mit bedarfsgeführten Regelsystemen, eine Erdreichwärmepumpe, die die Niedertemperatur-Flächenheizungen versorgt, sowie eine Photovoltaikanlage, die mehr Strom produziert, als für den Betrieb des Gebäudes benötigt wird. Finanziert wird die Sanierung über Public Private Partnership, das bei immer mehr Schulsanierungen zur Anwendung kommt. Ein privater Investor bezahlt die Sanierung und betreibt das Gebäude, dafür erhält er vom Schulträger einen fixen Betrag für die Betriebskosten.

Der Faktor Mensch: Erfolg oder Misserfolg einer Energiesparmaßnahme hängt am Ende sehr von den Nutzern eines Gebäudes ab. Lassen sie im Winter das Fenster sperrangelweit offen stehen, weil sie das Lüften so gewohnt sind, nützt die knauserigste Wärmetechnik nichts. Tatsächlich zeigen Studien im EnEff:Stadt-Projekt, dass falsches Nutzerverhalten den Einspareffekt komplett zunichtemachen kann. In zahlreichen Projekten hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg festgestellt, dass sich je nach Zustand eines Gewerbegebäudes zwischen 10 und 30 Prozent des Energieverbrauchs einsparen ließen und dies allein durch Maßnahmen, die kein oder nur wenig Geld kosten. Es seien immer wieder die typischen Fehler, die zu einem unnötig hohen Energieverbrauch führten, hat das ISE festgestellt. So laufen Heizungspumpen in Bürogebäuden nonstop 24 Stunden durch, obwohl sich nachts und am Wochenende niemand im Gebäude befindet.

Zuhause ist das gekippte Fenster mit kochend heißem Heizkörper der Klassiker. Jens Fehrenberg, Professor für ökologisches Bauen in Hildesheim, hat in einem Mehrfamilienhaus in Braunschweig eine simple Lösung ausprobiert: Fenster, die man nicht mehr kippen kann. Gelüftet wird mit weit offenem Fenster, ansonsten sind die Fenster geschlossen. Fehrenberg: „Das ist erst mal ungewohnt, aber energetisch sinnvoll.“

(jlu)