Medientage: Mehr Kompetenzen für Jugendschützer

Das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung stellte auf den Medientagen München seinen Evaluierungsbericht zum Jugendmedienschutz zur Diskussion.

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Von
  • Monika Ermert

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) soll künftig Vertöße gegen den Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) selbst verfolgen können. Bislang stellte die KJM Verstöße lediglich fest, die verwaltungsrechtlichen Verfahren betrieben dann die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten. Dabei gehe zu viel Zeit verloren, warnte Werner Schulz, Geschäftsführer des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung, bei der Vorstellung des Evaluierungsberichts auf den Münchner Medientagen. Mit der anstehenden Novellierung des JMStV solle auch die Verfolgung zentralisiert werden. "Die KJM kann als Organ der Landesmedienanstalten die Verfahren in deren Namen führen", erläuterte Klaus-Peter Potthast, Leiter der Mediengruppe in der Bayerischen Staatskanzlei. Mitaufgenommen werden könnten übrigens auch weitere Dienste, etwa der Bereich des Mobilfunks und Onlinevarianten, beziehungsweise vom Nutzer bereitgestellte Ergänzungen von Spielen.

Nach dem Amoklauf an einem Gymnasium in Erfurt 2002 hatte es heftige Diskussionen über die Gefährdung von Jugendlichen und Kindern etwa durch Computerspiele und Internetseiten gegeben; dies hatte mit dazu geführt, das Jugendmedienschutzrecht zu verschärfen: Am 1. April 2003 traten die aktuellen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz (Jugendschutzgesetz,  JuSCHG, und Jugendmedienschutzstaatsvertrag,   JMStV) in Kraft. Nach dem Jugendschutzgesetz des Bundes müssen auch Computerspiele wie zuvor Kino- und Videofilme mit einer Altersfreigabe gekennzeichnet sein. Alle neuen Medien, auch Internetseiten, können zudem auf den Index gesetzt werden. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder verpflichtet Anbieter von "Telemedien" unter anderem, sich beispielsweise an eine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle anzuschließen. Der Staat überwacht mit Hilfe der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) die Einhaltung der Regeln.

Der Evaluierungsbericht sieht nun in verschiedener Hinsicht Optimierungsbedarf bei der 2003 eingeführten "regulierten Selbstregulierung" oder "Koregulierung", die erstmals ein Zusammenspiel von Selbstkontrolleinrichtungen wie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) oder der Freiwilligen Selbstkontrolle Film (FSF) gesetzlich festschreibt. Für jeden sei "ein trockenes Plätzchen und eine bittere Pille" dabei, kommentierte Schulz in München. Neben der langen Verfahrensdauer von teilweise bis zu einem Jahr rügte der Bericht die Schwächen bei der Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Selbstkontrolle und Behörde. Der Gesetzgeber sollte im Rahmen der Novelle nach Ansicht der Forscher außerdem bei den so genannten Jugendschutzprogrammen (gemeint sind Filter- und Labelling/Ratingsoftware) und bei der rechtlichen Stellung von jugendschutz.net nachbessern.

Die Länder, die jugendschutz.net ursprünglich eingerichtet haben, würden das Privatunternehmen haushaltsrechtlich gerne in die Verantwortung der KJM abgeben, wie Potthast sagte. Bei der KJM verweist man dagegen auf die Arbeit, die die private "Internetpolizei" und Medienaus- und weiterbildungseinrichtung im Auftrag der Jugendschutzbehörden erbringt. Es sei nicht akzeptabel, dass jugendschutz.net die Arbeit für die Behörden mit Projektarbeit zu finanzieren habe. Den Unternehmen und Selbstkontrolleinrichtungen ist dagegen die unklare Rechtswirkung von Hinweisen zu möglicherweise beanstandungswürdigen Seiten ein Dorn im Auge. "Die Anbieter wissen nach einem solchen Hinweis nicht, ob sie schon im verwaltungsrechtlichen Verfahren sind oder nicht", warnte FSM-Geschäftsführerin Sabine Frank.

Frank beklagte in München ebenfalls die Verfahrensdauer und forderte eine Verbesserung der Verfolgungsmöglichkeiten der KJM. Je besser und schneller die Aufsicht vorgehe, umso größer sei letztlich der Anreiz, Mitglied in der FSM zu werden. Mitglieder der FSM werden von der Selbstkontrolle und nicht von der KJM beaufsichtigt. "Es gibt zwar Verfahren, aber das ist viel zu wenig", sagte Frank. Motiviert dadurch fühlte sich der Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz Wolf-Dieter Ring. "Ich finde es natürlich gut, wenn Sie sagen, wir sollen energisch die Aufsicht ausüben, damit die Braven, die bei Ihnen sind, nicht frustriert sind", sagte Ring. Solche Aufforderungen von Seiten der Selbstkontrolleinrichtungen habe es zu Beginn der Zusammenarbeit von Behörde und Selbstkontrolle nicht gegeben.

Mit Blick auf die beklagte Verfahrensdauer verwies Ring im übrigen auf rechtsstaatliche Anforderungen. Immerhin stehe die Freiheit immer am Anfang und dann komme die Einschränkung. Allerdings hatte die KJM selbst die Zersplitterung von Aufsicht und Durchsetzung selbst bereits früher beklagt.

Bei allen Bekenntnissen zum Erfolg des deutschen Koregulierungsmodells bleiben Selbstkontrolleinrichtungen und KJM in einzelnen Punkten zerstritten. Das von FSM und der Fernsehschwester Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen eingeforderte "Primat der Selbstregulierung" wollte der KJM-Chef nicht so einfach unterschreiben. Bei den Altersverifikationssystemen (AVS) sei man so zwar sehr nah beieinander, was die Anforderungen angeht, sagte Frank. Der Streit fange bei der Frage an, "wo die Hoheit bei der primären Überprüfung" liege, sagte die FSM-Geschäftsführerin.

"Das funktioniert erst, seit die KJM da ist", konterte Ring. Ein gutes Dutzend Unternehmen habe sich mit der Bitte um Prüfung seit 2003 an die KJM gewandt, während die Selbstkontrolleinrichtungen zuvor verkündet hätten, das solche Systeme nicht machbar seien. Die Evaluierer hätten die Praxis der AVS und deren Anerkennung ausdrücklich gelobt. "Die abschließende Bewertung möchte ich daher nicht in eine Selbstregulierung geben", sagte Ring. Vom Gesetzgeber erwarte er, dass dieser im Rahmen der Novelle ein Anerkennungsverfahren in den Staatsvertrag schreibe.

FSM und FSF sehen mit solchen Eingriffen in ihre Arbeit aber die Rollenverteilung zwischen Selbstkontrolle und Behörde in einer Schieflage. Auch sie zitierten die Evaluierung: die unterstreicht, dass die Selbstkontrolle auch selbst kontrollieren sollte. Die KJM solle sich stärker mit der Aufsicht der Arbeit von FSM und FSF beschäftigen, die sei bislang zu kurz gekommen.

Zu den Münchner Medientagen 2007 siehe auch:

(Monika Ermert) / (vbr)