Auf der Balz: Wie Familienbetriebe um Fachkräfte buhlen

Je mehr die Wirtschaft boomt, desto spürbarer der Mangel an Fachkräften. Im Kampf um qualifizierte Mitarbeiter zogen Familienunternehmen oft den Kürzeren gegenüber den großen Konzernen. Inzwischen setzen sie auf kreative Strategien - und auf Senioren.

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Von
  • Anika von Greve-Dierfeld
  • dpa

Einen Hochschulabsolventen als Projektleiter zum Kunden schicken? Für Jens Fahrion undenkbar. "Die werden nicht ernst genommen. Dafür brauchen wir die Älteren." Bereits seit gut zehn Jahren bemüht sich der Geschäftsführer von Fahrion Engineering um die Generation 50 plus. "Schon angesichts der demografischen Entwicklung ist das der größte Pool potenzieller Arbeitnehmer für uns", sagt Fahrion.

Das Familienunternehmen mit Sitz Kornwestheim plant Produktionsanlagen und Werkzeuge zum Beispiel für Maschinen- und Fahrzeugbauer. In Stellenanzeigen etwa für Projektleiter werde sogar "ausformuliert, dass wir explizit die Älteren wollen", sagt Fahrion. Insbesondere bei Führungskräften verlässt sich Fahrion lieber auf erfahrene Mitarbeiter. Menschen mit breitem Wissen, "einem gesetzten Auftreten, Souveränität und der Fähigkeit, mit der Führungsebene unserer Kunden auf Augenhöhe zu kommunizieren."

Um an qualifizierte Mitarbeiter zu kommen, müssen sich Firmen in der Tat etwas einfallen lassen: Allein wegen der demografischen Entwicklung fehlen bundesweit rund 6,5 Millionen Fachkräfte bis zum Jahr 2025, errechnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das Problem der Familienunternehmen: Sie konkurrieren mit den attraktiven Konditionen großer Konzerne. Um in dem Wettbewerb nicht abgehängt zu werden, bemühen sie sich nicht nur um Senioren, sondern auch um Frauen oder Migranten.

"Finanziell können sie natürlich nicht mithalten mit den 'Global Players'", sagt Jan-Klaus Tänzler, der am Mannheimer Lehrstuhl für Mittelstandsforschung arbeitet. "Aber sie punkten zunehmend mit Angeboten wie flexiblen Arbeitszeiten, gleichen den Standortnachteil mit einem Firmenwagen aus, helfen bei der Wohnungssuche oder gründen mit anderen kleinen Unternehmen einen gemeinsamen Betriebskindergarten."

Der Filterspezialist Mann+Hummel finanziert in Ludwigsburg Kita-Plätze in einer öffentlichen Tagesstätte, damit die Mitarbeiter keine Probleme mit der Betreuung bekommen. Im Werk in Marklkofen wird jungen Eltern selbst im Schichtbetrieb Teilzeitarbeit angeboten. Sie können nach Belieben Früh- und Spätschichten übernehmen oder nur an bestimmten Wochentagen arbeiten, sagt ein Sprecher.

Der Heidelberger Gebäudereiniger Breer ist in diesem Jahr erstmals dazu übergegangen, sich Auszubildende aus Spanien zu holen. "Wir haben zunehmend Probleme, unsere Lehrstellen zu besetzen", sagt eine Sprecherin. Drei junge Spanier machen seit Juni schon ein Praktikum bei Breer. Der Lehrstellen-Vertrag ist ihnen bereits fest zugesagt.

Auch "Incentives" wie Sommer- oder Weihnachtsfeste oder Theater- und Fußballkarten für die Belegschaft gehören zu den Bonbons, mit denen Familienunternehmen Bewerber umschmeicheln, sagt Tänzler.

Nach einer noch unveröffentlichten Studie der TU München mit rund 4000 befragten Fach- und Führungskräften seien 60 Prozent davon überzeugt, dass sie "in einem Familienunternehmen eher bessere Voraussetzungen vorfinden als in einem Großkonzern in Streubesitz", bestätigt auch Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. "Der Königsweg der Familienunternehmen ist es, gute Mitarbeiter im eigenen Betrieb zu identifizieren und sie dem Unternehmen zu erhalten", sagt Hennerkes. Von daher besitzt für sie der Erfahrungsschatz der älteren Mitarbeiter besonderes Potenzial."

Für Jens Fahrion haben sich die älteren Mitarbeiter bewährt. Inzwischen hat sich das Engagement des Unternehmens so weit herumgesprochen, dass die 50-Plusser von sich aus direkt auf Fahrion zukommen, wenn sie auf Jobsuche sind. "Der Fachkräftemangel macht uns mittlerweile nicht mehr so viele Sorgen", sagt er. (jk)