Evoke 2013: Highlights von der Party

Auf der Demo-Party Evoke 2013 waren wieder spektakuläre Echtzeit-Demos für den PC zu sehen – aber auch skurrile Beiträge, die ein Raspberry Pi oder gar einen Forschungsroboter zweckentfremden.

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Von
  • Gerald Himmelein

Vom 16. bis 18. August fand in Köln die Demo-Party Evoke 2013 statt. Im Mittelpunkt der dreitägigen Veranstaltung standen auch in diesem Jahr wieder die Wettbewerbe mit für Windows-PCs entwickelten Intros und Demos.

Demos sind digitale Kunstwerke, die meist in Echtzeit erzeugt werden. Für einige Wettbewerbe gelten Beschränkungen, dass der Code in 4 oder 64 KByte unterkommen muss. Andere definieren nur die Plattform – in der Kategorie "Alternative Demo" ist sogar alles erlaubt.

"Alternative Platforms" hieß auf der Evoke 2013 die sonst als "Wild Demo" bekannte Kategorie, bei denen sowohl Konsolen als auch Mobilgeräte und altes Eisen erlaubt ist.

Den ersten Platz belegte "Overdrive" von Titan nicht zuletzt aufgrund der liebevollen Präsentation (YouTube-Video). Overdrive lief auf der 23 Jahre alten 16-Bit-Konsole "Mega Drive" von Sega. Knarzige Beats begleiteten Demo-Effekte alter Schule – rotierende Kugeln, mehrschichtige Schachbrettmuster und der obligatorische rotierende Würfel, alles mit 16 Bit und gerade mal 512 Farben.

Apophenia von TRBL ist eine in JavaScript geschriebene Browser-Demo.

Mit einigem Abstand folgte der "WhoreBot" von Attention Whore (YouTube-Mitschnitt). Die Gruppe hatte sich den 20.000 Euro teuren Forschungsroboter Kuka YouBot als Demo-Plattform ausgesucht. Dessen mechanischer Arm musste mühevoll mit einem Filzstift Vektorgrafiken auf ein Blatt Papier malen. Da der Roboter dabei sehr gemächlich vorgeht, zeigt die Demo dessen Zeichnungen im Zeitraffer.

Nur wenige Stimmen weniger bekam die JavaScript-Demo "Apophenia" von TRBL, die sich gezielt auf 2D-Effekte beschränkte (YouTube-Mitschnitt). Der Beitrag gefällt durch Kaleidosmuster, wabernde Plasmafelder und pulsierende Polygone, begleitet von einem an Aphex Twin erinnernden Techno-Soundtrack. Wer einen halbwegs flotten Rechner hat, sollte sich die Demo unbedingt direkt im Browser ansehen.

Auf Platz 4 landete Digital Sounds System mit dem spontan auf der Party zusammengestöpselten "DSS PH-0001: We had to fill the title *somehow*". Als Plattform hatten sich DSS den Chat-Client mIRC ausgesucht. Per Skripting entlockten sie dem Client Schriftzüge mit 3D-Zoom, synchron rotierende Leuchtstäbe und kreisende Farbkleckse. Nur den fünften Platz schaffte die Demo "Melina" für den Mini-Computer Raspberry Pi. Darin erzählen P0ke, Titeiko und Zerkman die Geschichte eines Mädchens, das sein Leben lang durch eine Hügellandschaft wandert (YouTube-Mitschnitt).

Sugar Shock von Gaspode wird seinem Namen voll gerecht: Grafik aus Süßigkeiten, überzuckerte Musik.

Vorberechnete Inhalte sind der "Animation Competition" vorbehalten. Der Siegerbeitrag "Visual Approach To The Aesthetics Of Sampling" von JCO zeigt mit viel Humor und vollem Körpereinsatz, welch rhythmischen Lärm man einer industriellen Umgebung entlocken kann – das Fabrik-Pendant zum Musikvideo-Klassiker Natural Rhythm von Coldcut und Hexstatic also. JCO nutzte einen vierteiligen Split Screen, um alle Bestandteile des Soundtracks parallel vorzuführen.

Auf dem zweiten Platz landeten Gaspode mit "Sugar Shock". Nicht nur ist die Grafik vollständig aus Süßigkeiten zusammengesetzt; die Animation ist auch noch mit einem zuckersüßen Rave-Song unterlegt ("Candy is love and love is magic"). Wäre der Kurzfilm länger als 1:11 Minuten, bekäme man vermutlich schon vom Ansehen Karies.

Die 64K-Kategorie entwickelt sich immer mehr zur Königsdisziplin – kaum zu glauben, was die Wettbewerbsteilnehmer in den verfügbaren Platz pressen. Platz 1 belegten Stroboholics mit "905509". Die Demo beginnt mit einem diagonalen Fortschrittsbalken, zeigt danach ein gläsern spiegelndes Stachelding und hat mehr Blendenflecken im Bild als der Relaunch der Star-Trek-Filmserie. Höhepunkt ist eine gläserne Dämonenfratze mit langen Hörnern, die zu einem wummernden Soundtrack pulsiert (YouTube-Video).

"905509" von Stroboholics

Auch Inque spielten auf Platz 2 mit Glaseffekten. In "Parallaxelerator" lösen sich organische und mechanische Strukturen ab. Verbindendes Stilelement ist gelborange leuchtendes Plasma (YouTube-Video).

Die Veteranen von Farbrausch folgten mit einigem Abstand auf Platz 3 mit ihrem Beitrag "fr-minus-017: coderpr0n". Die Demo betont ihre Oldschool-Stimmung mit Happy-Hardcore-Techno im Stil der Mitt-90er und einem etwas klotzig aussehenden Raver, der vor sich hin klatscht (YouTube-Video).

Im Bereich 4K siegten Fnuque, Loonies und TBC mit "Wishful Twisting". In dem lächerlichen bisschen Platz brachten sie nicht nur bunt leuchtende Quallenformationen und eine pulsierende Partikelwolke unter, sondern auch einen Synthesizer mit Drum-Part (YouTube-Video).

Platz 2 belegte "Kologne Koder Kolorz" von hArDy und TRSi mit seinen pulsierenden und mutierenden Glasobjekten (YouTube-Mitschnitt). Auch bei "Reflected" von BluFlame dominieren per Raymarching berechnete Reflexionen: Die konsequent auf die Farben Grau, Rot und Grün reduzierte Intro landete auf dem dritten Platz (YouTube-Video).

In der Kategorie der PC-Demos überzeugten Still mit dem atmosphärisch dichten "Calcifer". Hier formieren sich dramatisch beleuchtete Dreiecke zu Gebäuden und zerfallen wieder, um später fraktale Flammenstrukturen zu bilden. Höhepunkt der über 6 Minuten langen Demo ist ein Beton-Monster mit rot glühenden Augen (YouTube-Video).

"Muoto" von Traction und Brainstorm (Platz 2) ist dazu der krasse Gegenpol: Hier dominieren in den Primärfarben gehaltene geometrische Formen. So hätte es wohl ausgesehen, wenn Piet Mondrian programmiert hätte, statt zu malen (YouTube-Video).

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Auf dem dritten Platz landeten Mandarine mit "Within the Mesh (of Eryx)". Die Demo ist als letztes Videodokument eines auf der Venus verschollenen Forschers inszeniert, der dort Pyramidenstrukturen, vieräugige Statuen und wild wachsende Kristalle filmt. Der Beitrag greift dazu den Stil der 2007 veröffentlichten ASD-Demo "Beyond The Walls Of Eryx" auf, transplantiert deren isometrische Strukturen aber in eine texturierte First-Person-Perspektive (YouTube-Video; YouTube-Video des Vorbilds).

"Within the Mesh (of Eryx)" von Mandarine

Mit über 500 Besuchern war die Evoke 2013 noch erfolgreicher als die Veranstaltung im Vorjahr – da hatten etwa 400 Szener teilgenommen. Viele Beiträge nahmen das Thema "Party mit Herz" auf – Stroboholics mit einem Glasherz, Farbrausch mit einem von Herzchen umflogenen Awesome Smiley und Titan mit einem kybernetischen Herz in ihrer Mega-Drive-Demo.

Die kompletten Ergebnisse der Wettbewerbe von der Evoke 2013 finden sich auf Scene.org, in dessen Download-Bereich im Laufe der Woche auch die letzten Beiträge landen dürften. Die Szene-Website Pouet stellt wie immer einen üppig verlinkten Überblick über alle verfügbaren Beiträge und deren YouTube-Mitschnitte bereit. Wer einen ausreichend kräftigen PC mit potenter Grafikkarte sein Eigen nennt, sollte die Intros und Demos unbedingt auf dem eigenen Rechner starten – des Echtzeit-Feelings wegen.

[Update 21.9.2013 15:30:] Richtigstellung einiger Details zu den Beiträgen von Farbrausch und Traction/Brainstorm. [/Update] (ghi)