Röslers zweiter Vorstoß zur Netzneutralität erntet Kritik

Verbraucherschützer und Inhalteanbieter sehen auch in dem überarbeiteten Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für eine Netzneutralitätsverordnung eine Gefahr fürs offene Internet.

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Verbraucherschützer und Inhalteanbieter üben scharfe Kritik am überarbeiteten Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für eine Netzneutralitätsverordnung. Die Initiative versetze dem offenen Internet den Todesstoß, erklärten Vertreter vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und Verlegerverbänden am Dienstag bei einem Arbeitstreffen im Wirtschaftsministerium in Berlin. Vorfahrtsrechte für bestimmte Dienste verdrängten das traditionelle Netz, in das kein Betreiber mehr ernsthaft investiere.

Das Wirtschaftsministerium geht in seinem zweiten Entwurf davon aus, dass künftig für den Verbraucher leicht erkennbar zwischen dem offenen Internet und bevorzugt übertragenen Zusatzangeboten ("Managed Services") unterschieden werden kann. Die Entwicklung des Netzes, in dem Datenpakete nach dem "Best Effort"-Prinzip mit der gleichen Priorität behandelt werden, solle zwar nicht behindert werden. Das Gebot einer "diskriminierungsfreien Datenübermittlung" und das Verbot willkürlicher Verschlechterungen von Diensten gilt aber nur noch für den herkömmlichen Netzbereich.

Eine solche klare Unterscheidung lasse sich aber nicht aufrechterhalten, meinte eine Vertreterin des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Es würde schließlich kaum jemand für einen "Managed Service" bezahlen, wenn dieser keinen echten Vorteil böte. Ein anderer Lobby-Vertreter ergänzte, dass sich das Wirtschaftsressort von der "Lebenslüge" verabschieden müsse, bei einer
Zwei-Klassen-Übertragung werde das offene Internet von den Netzbetreibern nicht ausgebremst.

"Managed Services" böten ein hohes Diskriminierungspotential, betonte der vzbv in einer Stellungnahme. Der Entwurf untersage keine Diskriminierung zwischen den beiden Klassen. Dies sei kritisch, da bevorzugte Dienste aufgrund der Grenzen bei Übertragungsgeschwindigkeit und -volumen am Breitbandanschluss des Kunden in unmittelbare Konkurrenz zum offenen Netz träten. Wenn Provider den Inhalte- und Diensteanbietern künftig anbieten könnten, deren Angebote gegen Entgelt als Managed Service zu behandeln, führe dies ferner zu erheblichen Markteintrittsbarrieren.

Klaus Landefeld vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco stellte klar, dass die von dem Vorstoß abgesegneten unterschiedlichen "Transportklassen" schon heute etwa für Internet-Telefonie oder Videodienste existierten. Es spräche nichts dagegen, diese "neutral" anzubieten", beim Verlangen eines Aufpreises könne man diesen Ansatz aber nur schwierig aufrechterhalten. Der Providervertreter beschrieb Managed Services als einen "neben dem Internet stehenden Kanal". Wenn ein Netzbetreiber dafür derzeit mehr Kapazitäten benötige, könne er das restliche Netz "gegen Null fahren". Eine solche Praxis müsse im Rahmen der Verordnung dann als unzulässig erklärt werden.

"Alle Dienstleistungen im offenen Internet müssen gut erreichbar sein", versicherte Winfried Ulmen vom Wirtschaftsministerium. Um Missverständnisse zu beseitigen, sei man für Änderungsvorschläge an dem Entwurf offen. Das Papier soll nun zunächst in einem zweiten Workshop Anfang September in Bonn mit Telekommunikationsunternehmen besprochen werden und nach der Wahl eventuell als Futter für Koalitionsverhandlungen dienen. (vbr)