NSA-Abhörskandal: Deutsche Forschung für die NSA?

Der US-Geheimdienst NSA soll laut einem TV-Bericht deutsche Forschungen zur Spachanalyse und Spracherkennung nutzen, um abgehörte Telefongespräche oder abgespeicherte E-Mails übersetzen zu lassen.

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Von
  • Detlef Borchers

Nach einem Bericht des TV-Magazins Fakt soll der US-amerikanische Geheimdienst NSA deutsche Forschungen zur Spachanalyse und Spracherkennung nutzen, um abgehörte Telefongespräche oder abgespeicherte E-Mails übersetzen zu lassen. Die entsprechende Grundlagenforschung des ausgezeichneten Verbmobil-Projektes und des Nachfolgers "Babel" am Karlsruher KIT soll von der USA mitfinanziert sein. Nach Darstellung des TV-Magazins soll auch der Bundesnachrichtendienst (BND) die Ergebnisse der Forschung praktisch nutzen.

Im Mittelpunkt der Beweisführung von FAKT steht der Sprachforscher Alexander Waibel, der neben seiner Professur in Karlruhe eine zweite Professur an der Carnegie Mellon Universität in den USA innehat. Dort sei seine Forschung direkt von Regierungsagenturen finanziert worden. FAKT beruft sich dabei auf interne Unterlagen, die belegen sollen, dass in einem dortigen Forschungsprojekt die NSA als Kunde genannt wird und dass das Projekt auf Bedürfnisse der NSA ausgerichtet wurde. Am KIT selbst habe man von März 2012 bis Juli 2013 im Rahmen eines von der Iarpa finanzierten Vorhabens für 256.261 US-Dollar an der Entwicklung von Algorithmen zur multilingualen Spracherkennung gearbeitet. Gegenüber Zeit Online bestritt eine Sprecherin der Hochschule eine direkte Zusammenarbeit, bestätigte aber den Forschungsauftrag.

Waibel selbst gab sich im FAKT-Film salomonisch, was seine Grundlagenforschung anbelangt: "Das gesamte Wissen, das in der Spracherkennung entsteht, das ist wie Straßenbau, wissen Sie, sie können Straßen bauen und dann fahren Autos drüber und irgendwann fahren Panzer drüber." Nach Angaben des TV-Magazins soll der Wissenschaftler bis 2002 an dem US-amerikanischen Überwachungsprogramm "Total Information Awareness" gearbeitet haben, das als Vorläufer des NSA-Überwachungsprogramms PRISM gilt.

Im Bericht von FAKT wurde zudem Jo Lernout befragt, ehemals Chef beim Pleite gegangenen belgischen Sprachsoftware-Spezialisten Lernout & Hauspie. Seine Firma hatte Anfang 2000 eine Firma von Alexander Waibel gekauft. Gegenüber FAKT bestätigte Lernout, dass man die Sprachtechnologie für den BND weiterentwickelt habe. In der Sendung kam außerdem der ehemalige CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn zu Worte, der Sprachanalyse- und Spracherkennungssoftware als wichtige Hilfsmittel der Geheimdienste bezeichnete.

[Update 04.09.2013 14:33]:

Alex Waibel hat mittlerweile die Vorwürfe zurückgewiesen, er habe Geheimforschung für den US-Geheimdienst NSA betrieben. "Das ist blanker Unsinn", sagte er gegenpber dpa. "Dafür bräuchte ich ja wie Edward Snowden eine 'security clearenceÄ, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Und die habe ich nachweislich nicht." Richtig sei, dass er für das US-Verteidigungsministerium Algorithmen zur multilingualen Spracherkennung entwickelt habe. Diese Übersetzungsprogramme seien aber vorrangig für Katastrophenhilfe-Einsätze der Army im Ausland gedacht.

Seine wissenschaftliche Arbeit sei für alle einsehbar, erklärte Waibel. Das gelte auch für den Geheimdienst NSA. "Ich bezweifele allerdings, dass er damit viel anfangen kann." Der Geheimdienst interessiere sich doch vorrangig dafür, wer wann und wie oft mit wem telefoniere. Was dabei gesagt werde, sei zweitrangig, da die Verdächtigen wohl meist Codes nutzten. "Menschen können den Sinn ihrer Worte verschleiern, da hilft ein Übersetzungsprogramm nicht weiter."

Ziel seiner Forschung sei immer gewesen, der Menschheit zu dienen. "Ich habe meine Karriere damit verbracht, humanitäre Einsätze zu unterstützen. Wenn ich jetzt als Spitzel der Nation hingestellt werde, ist das eine Frechheit." Waibels Übersetzungsprogramme ermöglichen unter anderem, dass in Entwicklungsländern Ärzte mit ihren Patienten kommunizieren können. Der Forscher hat auch ein System entwickelt, das Vorlesungen für ausländische Studenten simultan übersetzt. Waibel sagte weiter, in Deutschland gebe es jede Menge wissenschaftliche Institute, die geheime Militärforschung betreiben. "Dass die Recherchen ausgerechnet zu mir geführt haben, macht mich sprachlos." (jk)