Familienministerin kämpft an allen Fronten für Kinderporno-Sperren

Von der Leyen hat die heftige Kritik an ihrem Vorstoß für Web-Blockaden als reines "Ablenkungsmanöver" bezeichnet und neben einer freiwilligen Vereinbarung der Provider eine rasche gesetzliche Regelung angekündigt.

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Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat am heutigen Donnerstag im Vorfeld einer Anhörung im Unterausschuss Neue Medien des Bundestags erneut die Werbetrommel gerührt für ihre heftig umstrittene Forderung nach Sperrungen kinderpornographischer Webseiten durch die Internetprovider. Die heftige Kritik aus Reihen der Internetwirtschaft und von Rechtsexperten bezeichnete die CDU-Politikerin als reines "Ablenkungsmanöver": "Wir rühren nicht an der Kommunikationsfreiheit." Es gehe darum, Schwerstkriminalität zu bekämpfen. Entscheiden müsse sich Politik und Gesellschaft höchstens, ob die Freizügigkeit des Marktes das höhere Gut darstelle oder die der Menschenwürde.

"Wir rühren nicht an der Kommunikationsfreiheit", erklärte die Bundesfamilienministerin zu ihrem Vorstoß für Websperren gegen Kinderpornographie

(Bild: BMFSFJ)

Konkret will die Ministerin zweigleisig fahren. Eine freiwillige Vereinbarung mit den Zugangsanbietern hält sie für ein wichtiges Signal. Es solle auch von Seiten der Wirtschaft deutlich machen: "Wir wollen das." Parallel will von der Leyen die von einem Großteil der Provider als unerlässlich angesehene gesetzliche Regelung im Eiltempo vorantreiben und noch vor den Bundestagswahlen im September durch das Bundeskabinett und das Parlament schleusen: "Ich kämpfe auf allen Fronten, um das zügig voranzubringen." Angestrebt werde dafür keine eigengesetzliche Regelung, sondern eine Änderung des Telemediengesetzes, die theoretisch auch für weitere Sperransprüche etwa von Rechteinhabern den Weg öffnen könnte. Die vorangetriebenen Blockaden kinderpornographischer Seiten seien nicht der Anfang einer Ausweitung von Sperren, betonte die Ministerin aber. Der anvisierte Bereich sei "ganz klar abgrenzbar". Nötig sei die Gesetzesänderung, um alle Provider zu erfassen. Die inzwischen an den Gesprächen beteiligten acht Zugangsanbieter würden zwar 95 Prozent des Marktes abdecken, aber eben nicht 100 Prozent.

Scharf ins Gericht ging die CDU-Politikerin mit einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, das mit ihrem energischen Vorstoß die Kommunikationsfreiheit in Gefahr sieht. Die Qualität der nur 27 Seiten umfassenden Studie sei "unterirdisch" und am Thema vorbei. Es würden vor allem Sperrungsverfügungen gegen einzelne Webseiten und die Gefahr der Errichtung einer "chinesischen Mauer" rund um das Internet behandelt.

Als "absoluten Nonsens" bezeichnete von der Leyen Ängste, dass die Provider unbedenkliche Seiten sperren würden: Die Zugangsanbieter "sind neutrale Mittler ihrer Dienstleistungen." Das Bundeskriminalamt (BKA) ermittele die Seiten und übertrage sie verschlüsselt an die Internetfirmen. Die Haftung liege so allein bei der Polizei, auch die Beschwerdestelle für möglicherweise zu Unrecht blockierte Seiten werde auch auf deren Konto gehen. Die Vereinbarung mit den Providern will die Ministerin nun konkret in vier Wochen unter Dach und Fach haben, also noch vor einer gesetzlichen Regelungsmöglichkeit. Dabei begrüßte sie, dass die Internetwirtschaft nicht mehr die Haltung vertrete, "was nicht geht bei der Bekämpfung der Kinderpornographie". Das BKA sitze zusammen mit Technikern der Provider an einem Tisch. Dabei seien beide Seiten "auf einem sehr konstruktiven Weg, eine Lösung zu finden." Die Zugangsanbieter selbst sehen bislang noch viele offene Fragen.

Argumentative Unterstützung hatte sich die Ministerin vom Europol-Direktor Max-Peter Ratzel an die Seite geholt. "Ich kann die Initiative nur begrüßen", sagte der Chef der Den Haager Polizeibehörde. "Man muss sich die Opfer vor Augen halten, das sind die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft." Schwerpunkt der Strafverfolger bleibe es, die Täter zu ermitteln. Daneben gebe es aber einen Konsumentenmarkt, gegen den die Polizei intervenieren könne. "Wir haben ein Bündel von Maßnahmen entwickelt", führte Ratzel aus, in dem das "Access Blocking" einen "ganz wesentlichen Baustein" darstelle. Kinderpornographische Seiten würden "Leute auf die schiefe Ebene bringen, sie dienen als Verlockungsmittel" für die Suche nach weiteren einschlägigen Materialien in Chat-Räumen oder Peer-to-Peer-Netzwerken. Auch diese habe die Polizei aber natürlich im Blick.

Der Branchenverband Bitkom hatte vor dem parlamentarischen Expertengespräch vor politischen Schnellschüssen bei Web-Blockaden gewarnt. Effizient verhindern lässt sich der Zugang zu Kinderpornographie im Netz durch die von der Leyen vorschwebenden Maßnahmen laut der Vereinigung nicht. Entsprechende Mechanismen könnten allenfalls zufällige Aufrufe und Abrufe durch "Gelegenheitskonsumenten" erschweren. Es sei zudem klar erkennbar, dass von verschiedenen Seiten erhebliche Begehrlichkeiten bestünden, das Instrument der Zugangserschwerung auf weitere Inhalte auszudehnen und die Provider damit in eine allgemeine Überwacherrolle gedrängt würden.

Zu vergleichbaren Ergebnissen waren zuvor wissenschaftliche Studien im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und des Bundesverbands digitale Wirtschaft (BVDW) gekommen, wonach Websperren allenfalls ein "Ultima ratio"-Instrument sein könnten. Auch auf einem Workshop der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung im Januar waren sich Sachverständige einig, dass Internet-Blockaden nur scheinbar wirken und Kinder damit nicht vor Missbrauch geschützt werden. Der Tausch von kinderpornographischen Material finde vornehmlich außerhalb scheinbar einfach sperrbarer Transportwege statt. Es sei ferner naiv anzunehmen, dass ein einmal etabliertes Filtersystem nur auf Kinderpornographie beschränkt bleibe.

Das Aktionsbündnis "Freiheit statt Angst", das sich aus dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ausgegliedert hat, wandte sich in einer Stellungnahme ebenfalls entschieden gegen jegliche Filter- und Sperrmechanismen im Internet und den damit befürchteten "weiteren Ausbau der verdachtsunabhängigen Überwachung der Kommunikation aller Bürger". Eine Kontrolle und Steuerung von Online-Inhalten widerspreche dem Recht auf freie Meinungsäußerung und verletze die Pressefreiheit. Darüber hinaus schütze sie kein einziges Opfer. Wichtiger wären Verbesserungen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden über Rechtsgesuche und Rechtshilfeabkommen sowie ein Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei.

Mehr zum Thema in Ausgabe 4/2009 der c't:

  • Betreten verboten, Familienministerin will Internetsperren gegen Kinderporno-Sites, c't 4/09, S. 80

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)