Projekt für einheitliche Steuernummer in der Schieflage

Die Ausgabe der neuen Steuer-ID verzögert sich auf unbestimmte Zeit, da das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT) des Bundesfinanzministeriums mit dem Datenabgleich der 82 Millionen Betroffenen nicht nachkommt.

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Die Ausgabe der neuen, bundesweit einheitlichen Steuernummer für alle rund 82 Millionen Bundesbürger verzögert sich weiter. Ursprünglich sollte bereits seit Juli jeder Deutsche vom Säugling bis zum Greis nach und nach die elfstellige Kennung erhalten, die mit persönlichen Daten wie Name, Künstlername, Geschlecht, Geburtstagsdatum, Adresse oder Doktorgrad verknüpft ist. Die Behörden kündigten im September aber an, dass die umstrittene Steuer-ID aufgrund Problemen bei der Zusammenführung der bislang dezentral geführten Datenbestände aus rund 5300 Meldestellen erst vom Frühjahr 2008 an erfolgen könne.

Auch dieser Termin sei nun nicht mehr zu halten, erklärte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Karl Diller, in der Antwort auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach. Laut einem Bericht der Financial Times Deutschland sprach der SPD-Politiker von einer "Schieflage" des gesamten IT-Großprojektes und wollte einen neuen Starttermin gar nicht mehr nennen.

Für die Zusammenführung der immensen Datenbestände hinter der Identifikationsnummer sind das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) und das ihm zuarbeitende Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT). Als Schuldigen für die Verzögerungen hatten sich diese im Spätsommer die Meldeämter ausgeguckt, die ihre Informationen auf CD-ROM eingeschickt haben sollen. Diese Meldedaten decken sich häufig nicht mit den Angaben, welche die Finanzbehörden selbst gespeichert haben. Nach Dillers Worten konnte nun das ZIVIT gegebene Terminzusagen erneut nicht einhalten. Die Datenübertragung sei nicht leistungsfähig genug gewesen, außerdem habe es Verzögerungen im Entwicklungsbereich, einen unzureichenden Informationsfluss und Defizite im Projektmanagement gegeben.

Um das Vorhaben noch zu retten, haben die Behörden die Firma Fujitsu-Siemens eingeschaltet. Der Auftrag soll laut Flach einen Umfang von 1,9 Millionen Euro haben. Die FDP-Politikerin zitiert Diller zudem mit den Hinweis, dass für die Vergabe eine Ausschreibung "wegen Dringlichkeit" nicht erforderlich gewesen wäre. Aufgrund der Verschiebungen könnten dem Fiskus Steuereinnahmen verloren gehen, warnte Flach. Es sei unerklärlich, warum sich das Finanzministerium eine Abteilung wie ZIVIT leiste, wenn diese nicht in der Lage sei, ein derartiges Projekt abzuwickeln. Bereits im Vorfeld habe es Bedenken gegeben, es könnten Ressourcen fehlen. Die Meldebehörden sind bei der Vorbereitung der Ausgabe der Steuernummer gehalten, gemeinsam mit dem zentralen Steueramt sämtliche "Unrichtigkeiten" in ihren Datenbeständen in Form von "Dubletten" oder "Karteileichen" im Rahmen des Aufbaus des neuen Systems aufzuklären. Dies macht das Projekt besonders aufwendig.

Der Bundestag hat trotz der Schwierigkeiten mit der Technik gerade mit dem Jahressteuergesetz 2008 die Einrichtung einer zentralen Datenbank in Verknüpfung mit der Steuer-Identifikationsnummer beschlossen. Erfasst werden somit lohnsteuerrelevante Informationen zum Ehepartner und zu den Kindern genauso wie zur Religionszughörigkeit sowie zu Steuerklassen und Freibeträgen. Die Regelung hat unter anderem zum Ziel, bis 2011 eine elektronische Lohnsteuerkarte einzuführen.

Datenschützer haben das Jahressteuergesetz sowie die Steuer-ID selbst immer wieder scharf kritisiert. Sie befürchten, dass die gespeicherten Informationen nicht nur für Steuerzwecke genutzt werden und der Staat in eine Totalerfassung der Bevölkerung einsteige. Aus der Steuerkennnummer kann ihrer Ansicht nach eine verfassungsrechtlich bedenkliche Personenkennziffer (PKZ) werden. Der oberste Bundesdatenschützer Peter Schaar moniert konkret, dass mit der zentralen Steuerdatenbank ein bundeseinheitliches Melderegister entstehe. Zwar dürften die dort abgelegten Daten zunächst nur für steuerliche Zwecke verwendet werden. Sobald der Datenpool jedoch gut gefüllt sei, würden von verschiedenen Seiten die Begehrlichkeiten zunehmen. Auch Oppositionspolitiker warnen vor einem finanzpolitischen Überwachungsstaat.

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(Stefan Krempl) / (jk)