Programme und Positionen zur Bundestagswahl 2013: Die Grünen

Im dritten Teil unserer Reihe sind die Grünen an der Reihe. Starke "BürgerInnenrechte", Internetzugang als Teil der "Daseinsvorsorge" und Green IT gehören zu den Forderungen, mit denen sie überzeugen wollen.

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Die Partei Bündnis 90/Die Grünen hat ihr Wahlprogramm 2013 (PDF-Datei) für den "grünen Wandel" unter das Motto "Teilhaben, einmischen, Zukunft schaffen" gestellt. Auf der Webseite zum Fahrplan für die nächste Legislaturperiode bietet die Oppositionspartei eine Auswahl an Informations- und Download-Optionen: Die per Mitgliederentscheid gekürten "neun Regierungsprioritäten" lassen sich in einem "Kurzwahlprogramm" oder in Katalogform nachlesen – auch in Russisch, Türkisch und Englisch. Dazu gibt es die Agenda speziell aufbereitet in leichter verständlicher Sprache, als E-Book, MP3 oder Hörbuch.

Keine Vorratsdatenspeicherung, keine Onlinedurchsuchungen, aber mehr "BürgerInnenrechte" versprechen die Grünen.

Überwachung, Sicherheit und Netzpolitik im Allgemeinen

Das Kapitel zur inneren Sicherheit steht bei den Grünen unter dem Titel "BürgerInnenrechte stärken". "Sicherheit bedeutet in einer freien Gesellschaft Sicherung der Freiheit", geht es weiter. Terrorismus und Kriminalität müssten daher bekämpft werden, "ohne die Freiheitsrechte aufzugeben". Der "anlasslosen Massenspeicherung von Telekommunikationsdaten" erteilen die Grünen eine Absage. "Auch die heimliche Online-Durchsuchung lehnen wir ab", steht es im Programm. Anlasslose Überwachungsmaßnahmen seien im Hinblick auf die Verfassung "höchst bedenklich und daher auf ein absolutes Minimum zu reduzieren".

Die "immer weiter ausufernde Videoüberwachung des öffentlichen Raums" müsse ebenfalls zurückgedrängt werden. Den Einsatz von Drohnen durch staatliche Stellen will die Partei "strikt regulieren", eine Nutzung der Flugobjekte durch die Polizei verhindern. Parallel plädiert die Partei für mehr Transparenz und "starke Auskunftsrechte" Betroffener gegenüber Sicherheitsbehörden. Die Bürger müssten wissen, "wer was wann und wo speichert und übermittelt".

Den Bereich Netzpolitik arbeiten die Grünen in einem eigenen Kapitel unter dem Motto "freies Netz und unabhängige Medien für alle" ab. Sie sehen darin ein zentrales Zukunftsthema“, bei dem es gelte, "die Freiheit des Internets zu sichern". Die Bürgerrechte will die Partei im Netz stärken und dem Computer-Grundrecht "gesetzlich Geltung verschaffen". Es müsse zum einem die digitale Welt umfassenden Kommunikationsgeheimnis fortentwickelt werden. Das freie Netz dürfe zudem nicht unter dem Deckmantel der "Cybersicherheit" abgebaut werden.

Wie offen, frei und nachhaltig eine Gesellschaft ist, spiegelt sich für die Grünen "auch im Einsatz freier und offener Software" wider. Im öffentlichen Bereich sei dieser Vorrang einzuräumen, "sofern dies vergaberechtlich möglich ist". Genauso müssten Softwareentwicklungen von und für Behörden stets mit Quellcode unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden.

Der Export von Know-how, Technik und Software zur Zensur und Überwachung des Internets in Diktaturen muss der Agenda nach ein Ende haben. Die Grünen drängen daher auf eine effektive Ausfuhrkontrolle. Freier und offener Netzzugang sei zum Menschenrecht geworden. Es brauche daher weltweite Vereinbarungen, die dieses Prinzip dauerhaft gewährleisteten. Ebenfalls setzt sich die "Ökopartei" für Green IT und fordert eine Optimierung des Ressourcenverbrauchs von IT-Geräten ein. Dafür seien nachhaltige Konzepte und eine Initiative "klimaneutrale Rechenzentren" nötig.

Speicherung personenbezogener Daten nur mit "Opt-In", fordern die Grünen.

Privatwirtschaftlicher Datenschutz, Umgang mit Informationssammlungen von Facebook, Google & Co.

Die Grenzen zwischen staatlicher und privater Datenverarbeitung verschwimmen nach Ansicht der Grünen immer mehr, so dass Sonderregelungen für beide Bereiche nur noch begrenzt Sinn machen. Noch nie seien von Firmen wie Behörden so viele persönliche Daten erfasst, gespeichert und übermittelt worden wie heute. Der Datenschutz müsse daher ausdrücklich im Grundgesetz verankert werden. Auch Privatunternehmen müssten die Daten ihrer Kundschaft so schützen wie heute schon ihre Geschäftsgeheimnisse.

Personenbezogene Informationen dürften zudem nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen gespeichert und weitergeben werden, machen sich die Grünen für eine "Opt-in"-Regelung stark. Sie wollen den Prinzipien Datenschutz durch Technik und Voreinstellung voranbringen und ein Gütesiegel einführen, damit der Erhalt der Privatsphäre auch ein Geschäftsmodell werden könne.

Abhöraffären in Unternehmen und Fälle von Videoüberwachung "bis hinein in die Umkleidekabinen der Angestellten" unterstrichen die Erfordernis eines "effektiven Beschäftigtendatenschutzes". Die Grünen wollen es Firmen ferner grundsätzlich untersagen,für die Berechnung der Kreditwürdigkeit von Personen per Scoring deren Wohnort einzubeziehen. Sie sprechen sich für einen unabhängigen Bundesdatenschutzbeauftragten mit mehr Kontrollkapazitäten und Sanktionskompetenzen gegenüber der Wirtschaft aus. Da die Datenströme grenzüberschreitend seien, müssten insbesondere auf EU-Ebene verbindliche Schutzregeln geschaffen werden. In Brüssel eingeleitete Maßnahmen wie das verdachtsunabhängige Auswerten von Bank- und Fluggastdaten seien dagegen aufzuheben.

Dem "ausufernden Abmahnunwesen" wollen die Grünen eine klare Absage erteilen

(Bild: dpa, Andrea Warnecke/Illustration)

Weiterentwicklung und Durchsetzung des Urheberrechts

Die Grünen werben für "ein Urheberrecht für das 21. Jahrhundert, das hohe Akzeptanz genießt, Urheber schützt, eine angemessene Vergütung sichert und gleichzeitig aber auch Nutzerrechte stärkt und Innovationen fördert". Warnhinweismodellen, Sperren von Webseiten oder Internetanschlüssen, Filterung von Inhalten oder dem "ausufernden Abmahnunwesen" erteilen die Grünen eine "klare Absage".

Vergüten statt verfolgen, lautet ihr Slogan. Sie plädieren für mehr Nutzerfreiheiten für private Remixe und Mashups, für kommerzielle Weiterverwendungen wollen sie eine zentrale Anlaufstelle zum Rechteerwerb. Das Recht auf digitale Privatkopie sei zu stärken, dessen "technische Einschränkung" durch Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) aufzuheben. Der Auskunftsanspruch gegenüber Privaten wie Providern soll auf Rechtsverletzungen im "geschäftlichen Verkehr" beschränkt werden, um das Abmahnunwesen zu stoppen.

Urheber will die Partei durch eine Reform des Urhebervertragsrechts stärken, um sie fairer an den Erträgen der Verwertung ihrer Werke zu beteiligen. Verwertungsgesellschaften sollen "gerechter, transparenter und demokratischer werden". Eine "gleichberechtigte Mitsprache" der Autoren sei sicherzustellen. Mitglieder müssten auch alternative Lizenzmodelle wie "Creative Commons" nutzen und andere Geschäftsmodelle entwickeln können

Auch in abgelegenen Regionen sollen nach dem Willen der Grünen "Breitbandanschlüsse mit mindestens 6 MBit/s" verfügbar sein.

(Bild: dpa, Peter Kneffel/Archiv)

Breitbandausbau / Netzneutralität

"Der Zugang zum Internet ist für uns Teil der Daseinsvorsorge", schreiben die Grünen und votieren für schnelle Auffahrten auf die Datenautobahn "für alle". Zum Verständnis sozialer Teilhabe im 21. Jahrhundert gehöre es, "den Breitbandinternetzugang über einen verpflichtenden Universaldienst sicherzustellen". So, wie die Postzustellung bis in abgelegene Regionen geregelt sei, müssten Provider zunächst auch "überall Breitbandanschlüsse mit mindestens 6 MBit/s verfügbar" halten. Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode seien flächendeckend Verbindungen "im zweistelligen MBit/s-Bereich" anzubieten. Mittelfristiges Ziel sei der Aufbau eines allumfassenden Glasfasernetzes.

Die Netzfreiheit sehen die Grünen durch "durch Monopole und Oligopole bei zentralen Diensten wie Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken bedroht". Wichtig sei es daher, die Infrastruktur "allen gleichermaßen zur Verfügung" zu stellen. "Wir wollen kein Zwei-Klassen-Internet und daher den Grundsatz der Netzneutralität gesetzlich verankern", hält das Programm fest. Die Grünen wollen zudem öffentliche wie private Vorhaben unterstützen, kostenfrei nutzbare und öffentlich zugängliche WLANs auszubauen; dabei sei der gesundheitliche Verbraucherschutz zu berücksichtigen.

Die Partei sieht das offene Internet auch verletzt, wenn Anbieter oder staatliche Stellen Inhalte sperren, filtern oder die Nutzung drosseln. Sonst könnten nicht nur "weniger rentable", sondern auch "politisch unliebsame Inhalte verschwinden". Die zunehmende Verschmelzung von Netzbetreibern und Inhalteanbietern wird kritisch gesehen, da sie den Wettbewerb und Nutzungsfreiheiten beschränke. Möglichen Missbräuchen müssten Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt "im Rahmen ihrer Kompetenzen" nachgehen.

Für die Wissenschaft wollen die Grünen Milliarden locker machen. Dabei schwören sie auch auf Open Access.

(Bild: Heise)

Investitionen in Forschung und Entwicklung, Open Data, Open Access

Die Grünen treten dafür ein, dass 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2020 in Forschung und Entwicklung investiert werden. Für mehr Studienplätze, bessere Studienbedingungen, eine höhere Qualität der Lehre und verlässliche Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs wollen sie zusätzlich mindestens eine Milliarde Euro jährlich in Hochschulen investieren. Dahinter steht auch das Anliegen, "prekäre Beschäftigung" im staatlichen Forschungsbereich einzudämmen.

Im Wissenschaftsbereich schwören die Grünen auf frei verfügbare Publikationen (Open Access), ein gesetzliches Recht auf Veröffentlichungen für Werke, die mit öffentlichen Mitteln geschaffen wurden, und frei verfügbare Forschungsdaten. Mit einer "Wissenschaftsschranke" im Urheberrecht möchte die Partei garantieren, dass publizierte Werke für den nicht-gewerblichen wissenschaftlichen Gebrauch grundsätzlich genehmigungsfrei genutzt werden dürfen.

Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes will die Partei mit einer umfassenden Transparenzbestimmung ausbauen. Die Verwaltung solle Informationen nicht nur auf Anfrage herausgeben. Verträge der öffentlichen Hand etwa gehörten von Anfang an genauso ins Netz wie andere Dokumente, Analysen, Gutachten, Erhebungen oder Statistiken. Derlei Informationen müssten gemäß dem "Open Data"-Prinzip frei verfügbar gemacht werden. Sie sollten über ein "tatsächlich funktionsfähiges und erweitertes bundesweites Internetportal" veröffentlicht werden. Auf der technischen Seite sei dabei generell die Maschinenlesbarkeit der Daten zentral. (axk)