Zwei Millionen dopen am Arbeitsplatz

Wenn Stress und Konflikte am Arbeitsplatz zu groß werden, helfen sich laut einer Studie der DAK rund zwei Millionen Menschen in Deutschland mit aufputschenden, konzentrationssteigernden oder beruhigenden Medikamenten.

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Von
  • Veronika Szentpetery

Das Phänomen ist bekannt, jetzt gibt es erstmals heimische Zahlen dazu: Laut dem aktuellen Gesundheitsreport der DAK greifen rund zwei Millionen Menschen in Deutschland am Arbeitsplatz zu aufputschenden, konzentrationssteigernden oder beruhigenden Medikamenten, um Stress und Konflikten standhalten zu können. Die repräsentative Umfrage bei rund 3000 Arbeitnehmern im Alter von 20 bis 50 Jahren ergab, dass jeder fünfte als Gesunder schon einmal solche Mittel genommen hat. Weniger als die Hälfte von ihnen, etwa 800 000, schlucken die Substanzen, die eigentlich gegen alters- und krankheitsbedingte Gedächtnisstörungen oder Depressionen entwickelt wurden, regelmäßig. Die Medikamente werden meist über illegalen Versandhandel oder über Kollegen, Freunde und Familie bezogen. 40 Prozent der "Doper" nehmen die Hirndoping-Mittel sogar mehrmals am Tag oder zumindest mehrmals pro Woche ein.

Die DAK glich für ihre Umfrage Verordnungsdaten von Antidepressiva, Betablockern, Demenz-Mitteln und Medikamenten gegen Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) mit den Diagnosedaten ab. Die Ergebnisse legen nahe, dass viele Berufstätige die leistungssteigernden Mittel auf eigenen Wunsch erhalten. Beim Demenz-Mittel Piracetam zeigte sich die Diskrepanz besonders deutlich: Nur 2,7 Prozent der DAK-Versicherten wiesen tatsächlich eine passende Diagnose auf. 83 Prozent erhielten das Medikament gegen Beschwerden, für die es eindeutig nicht zugelassen ist – und 15 Prozent der Versicherten bekamen das Mittel gänzlich ohne Diagnose.

Weitere Ergebnisse der Umfrage: 40 Prozent der Befragten wissen, dass die Medikamente auch bei Gesunden wirken. Jedem Fünften wurde die Einnahme schon mal nahegelegt – jede dritte Empfehlung kam von einem Arzt. Immerhin jeder Fünfte glaubt, dass die zu erwartenden Effekte die Risiken der Einnahme aufwiegen. Und fast genau so viele kennen mindestens einen Menschen, der schon einmal – ohne medizinischen Grund – stimmungssteigernde oder leistungsfördernde Medikamente eingenommen hat.

Wie Technology Review voriges Jahr berichtete, hatte auch das Fachjournal Nature eine – allerdings nicht repräsentative – Umfrage zum Thema Gehirn-Doping unter seinen Lesern durchgeführt. Auch hier gab jeder fünfte der befragten Akademiker an, schon mit Hirndoping experimentiert zu haben, zwölf Prozent gaben zu, es regelmäßig zu betreiben. (vsz)