Report kritisiert Ausbeutung in der IT-Industrie

Ein chinesischer Betrieb, der Tastaturen für IBM, Microsoft, Dell, Lenovo und Hewlett-Packard herstellt, ist wegen unmenschlicher Arbeitsbedingungen ins Visier der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation "National Labor Comittee" geraten.

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Von
  • Urs Mansmann

Die US-Menschenrechtsorganisation National Labor Committee (NLC) hat einen umfangreichen Bericht (PDF) über unmenschliche Arbeitsbedingungen des Tastatur-Herstellers "Dongguan Meitai Plastics & Electronics Factory" in der südchinesischen Provinz Guangdong vorgelegt. Die Arbeitszeit dort beträgt wöchentlich regelmäßig über 80 Stunden. Von ihrem Stundenlohn von umgerechnet knapp 60 Cent wird den Arbeitern – zum überwiegenenden Teil jungen Frauen im Alter zwischen 18 und 25 – ein Teil für Unterkunft und Verpflegung abgezogen, ausbezahlt bekommen sie dann noch rund 30 Cent pro Stunde. Mit der dort hergestellten Ware werden IBM, Microsoft, Dell, Lenovo und Hewlett-Packard beliefert.

Die Arbeitsbedingungen erfüllen noch nicht einmal die recht laxen chinesischen Standards. Beispielsweise dürfen die rund 2000 Arbeiter das Firmengelände nur an drei Tagen pro Woche verlassen. Einer wird mit den Worten zitiert "Ich fühle mich, als ob ich eine Gefängnisstrafe abbüßte". Die Fließbandarbeiter müssen rund eine Taste pro Sekunde montieren, dabei sitzen sie auf ungepolsterten Holzschemeln ohne Rücken- oder Armlehnen. Die Vorschriften des Arbeitgebers sind umfangreich, die Strafen drakonisch. Wer nur eine Minute verspätet am Arbeitsplatz erscheint, muss bereits eine Strafe von zwei Stundenlöhnen entrichten. Viereinhalb Stundenlöhne kostet das Falschparken mit dem Fahrrad, die unbefugte Nutzung eines Aufzugs wird mit dem Abzug von anderthalb Tageslöhnen bestraft. Wer Flugblätter verteilt oder sich Notizen macht, darf mit einem Lohnabzug von drei Tagen rechnen. Der Beitritt zu einer unabhängigen Gewerkschaft führt zur sofortigen Kündigung.

Untergebracht sind die Arbeiter in Schlafsälen mit 10 bis 12 Betten. Die Verpflegung ist einfach und besteht hauptsächlich aus dünner Suppe und Reis; einmal pro Woche gibt es einen Hähnchenschlegel und einen Hühnerfuß. Laut NLC sind die meisten Arbeiter nicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung, obwohl das in China gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Management riskiert indes die Gesundheit der Arbeiter an vielen Stellen: Rund 30 Plastikformmaschinen etwa sorgen in einer Abteilung für extreme Temperaturen, Klimaanlagen gibt es dennoch nicht. Bei den dort tätigen Arbeitern sind Hautausschläge aufgrund ständigen Schwitzens an der Tagesordnung. In der Lackiererei gibt es keine Atemschutzmasken, obendrein wird den Arbeitern verheimlicht, mit welchen Stoffen sie umgehen.

Die Electronic Industry Citizenship Coalition (EICC), eine freiwillige Selbstkontroll-Organisation, die sich die Überwachung fairer Arbeitsbedingungen (Verhaltenskodex als PDF) auf die Fahnen geschrieben hat und in der alle genannten Abnehmer der Ware aus Guangdong Mitglied sind, will nun die Arbeitsbedingungen offiziell untersuchen. Dem NLC-Bericht zufolge verstößt Meitai gegen eine Vielzahl der von der EICC aufgestellten Richtlinien. Ob die Kontrolle jedoch effektiv sein wird, bezweifelt Charles Kernaghan, einer der Autoren der NLC-Studie. Denn die EICC hat bereits verkündet, dass sie am 23. und 24. Februar vor Ort sein werde. Das Management werde die Angestellten nun einschüchtern, damit diese keine Beschwerden führen, befürchtet Kernaghan. Vermutlich dürfen sich die Arbeiter aber wenigstens kurzfristig über korrekte Arbeitsbedingungen und außergewöhnlich gute Verpflegung freuen – bis die EICC-Kontrolleure wieder auf dem Heimweg sind. (uma)