Neuausrichtung der Kommunikationsüberwachung in der Schweiz

Die Schweizer Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs sorgt für Schlagzeilen. Es habe sich ergeben, dass es bei dem seit 2010 entwickelte ISS "nicht möglich sein wird, das System in angemessener Zeit auf das erforderliche Qualitätsniveau anzuheben."

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Von
  • Detlef Borchers

Das seit 2010 in der Einführung befindliche Schweizer "Interception System Schweiz" (ISS) wird nicht weiter ausgebaut. Es soll ab 2015 durch eine Weiterentwicklung des 2005 bis 2010 betriebenen Vorgänger-Systems "Lawful Interception System" (LIS) abgelöst werden, das bis dahin für 13 Millionen Schweizer Franken "modernisiert" werden muss. Die Entwicklungskosten von ISS in Höhe von mindestens 18 Millionen Franken werden abgeschrieben. Dies wurde am Freitag auf einer vom projektführenden Justizdepartement bekannt gegeben.

Die Schweizer Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, der sogenannte "Dienst ÜPF" sorgt wieder einmal für Schlagzeilen. Nach Angaben des Schweizer Justizministeriums hätten "Abklärungen und Software-Tests" ergeben, dass es bei dem seit 2010 entwickelte ISS "nicht möglich sein wird, das System in angemessener Zeit auf das erforderliche Qualitätsniveau anzuheben." Aus diesem Grunde habe man die Reißleine gezogen und arbeite wieder mit der Herstellerin des Vorgängersystem LIS zusammen. "Letztere ist als Herstellerin des heutigen Systems LIS mit den Gegebenheiten in der Schweiz bestens vertraut," heißt es in der Begründung des Jusitzministeriums. Die notwendigen Upgradekosten von 13 Millionen Franken seien bereits vom Bundesrat bewilligt worden.

Das gescheiterte Software-Projekt ISS soll nach offiziellen Angaben 18 Millionen Franken gekostet haben. Insider gehen davon aus, dass die wahren Kosten das Doppelte dieser Summe betragen. ISS wurde von der dänischen Firma ETI entwickelt, die kurz nach dem Vertragsabschluss in der Schweiz Ende 2012 von der britischen BAE Systems für 212 Millionen US-Dollar gekauft wurde. Bei BAE wurde so der Geschäftszweig Detica für Lawful Interception Systems ausgebaut. Nach Angaben von Insidern scheiterte das Unternehmen in der Schweiz daran, dass die Schweiz 2012 neue technische Richtlinien für die [Link auf 42868:Ausgestaltung%20von%20Lawful%20Interception%20nach%20ETSI-Normen%7C_blank] erließ. Auch die föderalistische Struktur der kantonal unterschiedlichen Überwachungsbehörden mit unterschiedliche Zugriffsmöglichkeiten sei von der Software nur unzureichend abgebildet worden.

Mit dem Altsystem LIS kommt der deutsche Hersteller Syborg wieder ins Geschäft, der mittlerweile zur israelisch-amerikanischen Firma Verint gehört. LIS wurde 2005 unter großen Schwierigkeiten gestartet und soll mehrmals die Woche "schlapp gemacht" haben. Die Neuentwicklung ISS wurde in der Schweiz beschlossen, als es gerüchteweise hieß, dass der Remote Support für das Schweizer LIS teilweise aus Israel durchgeführt worden sein soll. Dass nun wieder LIS am Zuge ist und ein 13 Millionen teures Upgrade bekommt, ist daher etwas überraschend, wird aber mit der Kenntnis der Gegebenheiten in der Schweiz begründet. Gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung erklärten die Verantwortlichen, dass das "neue" alte System weniger können werde, als sich die Behörden ursprünglich erhofft hatten. Es werde sicher kein Rolls Royce sein, aber die gängigen Alltagserfordernisse bei der Telekommunikations-Überwachung abdecken, wird der zuständige Projektleiter, Justiz-Generalsekretär Matthias Ramsauer zitiert.

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(jk)