Bundesrat will Informationsfreiheit im Finanzsektor deutlich einschränken

Die Länderkammer hat Ende 2008 eine Stellungnahme zu einem Gesetz für Zahlungsdienste beschlossen, wonach sämtliche Aufsichtsbehörden im Finanz- und Versicherungsbereich vom Recht auf Aktenzugang ausgenommen werden sollen.

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Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung 2008 wenige Tage vor Weihnachten eine Stellungnahme (PDF-Datei) zu einem Gesetzesentwurf für Zahlungsdienste beschlossen, wonach die Informationsfreiheit im Bankensektor noch kürzer treten soll. Die Länder fordern überraschend, dass sämtliche Aufsichtsbehörden und sonstigen öffentlichen Kontrollstellen im Finanz- und Versicherungssektor vom allgemeinen Recht auf Aktenzugang gemäß Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) ausgenommen werden sollen. Konkret nennt der Bundesrat etwa die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank. Zivilgesellschaftliche Organisationen laufen nun Sturm gegen das Vorhaben.

In dem geplanten Gesetz geht es eigentlich um die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PDF-Datei), mit der neben Banken, Sparkassen und anderen Kreditinstituten weitere Anbieter Zugang zum Markt für Dienstleistungen wie Lastschriften, Überweisungen, Daueraufträge, Zahlungskarten oder Kreditgewährung erhalten sollen. Auf Antrag Bayerns wollen die Länder nun gleichzeitig die eh schon umfangreichen Ausnahmeregeln im IFG noch weiter ausdehnen. Schon jetzt besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn dieser unter anderem "nachteilige Auswirkungen" auf Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden haben könnte. "Fiskalische Interessen des Bundes" sind genauso pauschal geschützt vor der Neugier von Bürgern wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder teils auch personenbezogene Informationen.

Laut dem Bundesrat hat sich in der praktischen Anwendung des Gesetzes aufgrund von Akteneinsichtsbegehren gegenüber der BaFin aber gezeigt, dass die Bestimmungen in Einzelfällen der "Wahrung des Bankgeheimnisses und der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zuwiderlaufen". Die Länder verweisen auf "problematische" Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt aus dem vergangenen Jahr, welche die BaFin zur Gewährung der Akteneinsicht in bestimmte Aufsichtsverfahren gegenüber Kreditinstituten verpflichten. Die Kammer habe keine hinreichenden Belege dafür gesehen, dass mit der Informationserteilung konkrete nachteilige Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Bankenaufsicht entstünden. Diese Verfahren, in denen es letztlich um die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen von der BaFin kontrollierte Finanzdienstleistungsinstitute und somit "bestimmte private Interessen" gehe, hätten bei der Kreditwirtschaft und der Aufsicht "erhebliche Verunsicherung" hervorgerufen. Das Bankgeheimnis, sorgen sich die Länder weiter, werde vom IFG bislang "überhaupt nicht berücksichtigt". Gemeinsam mit den Geheimdiensten müsste die Bankenaufsicht daher komplett vom Recht auf Informationszugang ausgenommen werden.

Christoph Partsch, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit (dgif), lehnt die Initiative dagegen entschieden ab. "Die erst vor drei Jahren durch das IFG erlangte Informationsfreiheit der Bürger würde durch die verlangte Ausnahmeregelung wieder beschnitten", sorgt sich der Bürgerrechtler. Jetzt in der Wirtschaftskrise die Transparenz in der Finanzaufsicht abzubauen, verbessere nicht zukünftiges staatliches Handeln, sondern säe Misstrauen. Völlig inakzeptabel wäre es laut Partsch vor allem, den Informationszugang zu den Maßnahmen der Finanzmarktstabilisierung zu sperren.

Generell leistet der Vorschlag der Länder laut Partsch "dem allgemeinen Eindruck von Kungelei und hemmungsloser Gewinnsucht Vorschub". Es sei "fachlich abenteuerlich und rechtlich abwegig, wenn in der Begründung des Bundesrates ausgerechnet der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als Beweggrund für die Initiative genannt wird". Diese Geheimnisse seien ohnehin im Übermaß im IFG bereits gesichert. Es dränge sich daher der Eindruck auf, "dass die bayerische Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf die Rettung ihrer Not leidenden Landesbank verschleiern will".

Der medienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, lehnt den Vorstoß des Bundesrates ebenfalls entschieden ab. Die geplante "erhebliche Einschränkung" des IFG ist seiner Ansicht nach "weder rechtlich geboten noch rechtspolitisch sinnvoll". Es könne nicht angehen, "gerade jetzt zu Zeiten der Wirtschaftskrise und angesichts der staatlichen Rettungsprogramme die Transparenz in der Finanzaufsicht abzubauen". Vielmehr müsse es darum gehen, durch größtmögliche Transparenz Akzeptanz und Vertrauen in das staatliche Handeln zurück zu gewinnen. Der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit, Peter Schaar, habe in seinem Tätigkeitsbericht zudem ausgeführt, dass Geschäftsgeheimnisse nicht nur hinreichend im IFG gesichert seien. Sie würden durch die Behörden vielmehr auch besonders gern angeführt, um einen Informationszugang abzuwehren. Besonders "befremdlich" ist für Tauss, "dass die FDP sich mit ihrer Regierungsbeteiligung im Freistaat Bayern offensichtlich vom Ziel der Informationsfreiheit verabschiedet hat".

Zur Informationsfreiheit in Deutschland siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)