BKA-Tagung: Das harte Brot digitaler Ermittler

Auf der BKA-Herbsttagung zeigten sich im Detail Risse im Gruselbild vom digitalen Tatort. Ein Wissenschaftler plädierte für Schutz- und Ausgleichsregelungen, ein ermittelnder Staatsanwalt warnte vor der Abhängigkeit von IT-Fachleuten.

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Von
  • Detlef Borchers

Am dritten Tag der BKA-Herbsttagung zum "Tatort Internet" hatten zunächst Juristen und die juristischen Praktiker der Staatsanwaltschaft das Wort, während die Kritiker erst für den krönenden Abschluss vorgesehen waren. En Detail zeigten sich dabei Risse im Gruselbild vom digitalen Tatort. Ein Wissenschaftler plädierte für Schutz- und Ausgleichsregelungen, ein ermittelnder Staatsanwalt warnte vor der Abhängigkeit von IT-Fachleuten.

So beschäftigte sich Ulrich Sieber, Leiter der strafrechtlichen Abteilung am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht über die Veränderungen des Strafprozessrechts. Sieber gehört zu den Sachverständigen, die bei der Verfassungsklage gegen die nordrhein-westfälische Variante der Online-Durchsuchung gehört wurden. Er verwies auf den Abbau von traditionellen rechtsstaatlichen Sicherungen, die mit der Online-Durchsuchung kommen, hoffte aber auf Schutz- und Ausgleichsmechanismen, die die Technik begrenzen. Am besten seien jedoch "Alternativmechanismen der Sozialkontrolle", die verhinderten, dass Jugendliche in den Terrorismus abgleiten. Abschließend sprach sich Sieber für eine intensivere kriminologische Begleitung der Kriminalpolitik aus.

Rainer Griesbaum, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und ständiger Vertreter des Generalbundesanwaltes sowie Abteilungsleiter Terrorismus, berichtete aus der praktischen Arbeit der Behörde im weltweiten Netz. "Das weltweite Netz wird zum Tatort, das weltweite Netz ist Tatmittel und das weltweite Netz wird darum auch zum Ereignisraum der Ermittlungen." Griesbaum beklagte, dass beim Umgang mit terroristischen Zellen, Begriffe wie "Unterstützer" und "Sympathisant" benutzt werden, die aus den Zeiten der RAF stammen. Sie seien nicht mehr zeitgemäß und würden die diffusen Strukturen der Terror-Zellen nur unzureichend wiedergeben. Nach § 129a müsse die Frage beantwortet werden, ob eine Internet-Zelle eine festgefügte Organisation ist und zu einem übergeordneten Verband gehört. Hier zeichne sich eine europaweite Einigung ab, dass diffuse Internet-Strukturen als Terror-Organisationen bewertet werden können.

Griesbaum berichtete von einem Ermittlungsfall, der sich ausschließlich im Internet abspielte, in dem ein Täter eine virtuelle terroristische Zelle gegründet hatte und weitere Mittäter "über Fragebogenaktion via Chat-Rooms" angeworben hatte. Der Täter wurde im Rahmen der TKÜ überwacht, doch das Verfahren wurde erst durch die traditionelle Beschlagnahme von Computern abgeschlossen. Dennoch sei das Verfahren sehr schwierig gewesen, weil nach einem Monat Überwachung einer DSL-Leitung allein 25 Stehordner mit Protokollen von Telefongesprächen angefallen waren, außerdem wurden 500.000 Dateien aller Art sichergestellt, alles überwiegend in arabischer Sprache. "Wir kommen an die Grenze des Machbaren bei der Auswertung der Daten", warnte Griesbaum. Sie würden nur stichwortartig ausgewertet werden können, um Dateien besonderer Qualität zu finden, die dann übersetzt werden. Schwierig sei es gewesen, die Mittäter in arabischen Staaten zu ermitteln, die selbst nur ungern gerichtsverwertbare Beweise liefern würden. Aufwendig sei auch die kriminalistische Kleinarbeit gewesen, weil der Täter Proxy-Server benutzt habe.

Unter Verweis auf die Verhafteten der islamischen Dschihad-Gruppe von Oberschledorn erklärte Griesbaum, dass die Strafverfolger nur mit einer Vielzahl von Ermittlungstechniken in der Kombination zum Ziel kommen konnten. Über 20 richterliche Beschlüsse mussten dabei erwirkt werden. Besonders erfolgreich sei die Observation in Call-Shops begleitet durch eine Video-Überwachung der Täter in diesen Internet-Cafes gewesen. "Eine Online-Durchsuchung wäre sicher ganz wünschenswert gewesen, wenn sich Konstellationen ergeben hätten, dass die Beschuldigten auf ihren Laptops Tatanweisungen und Zielauswertungen hergestellt hätten, die nicht zur Kommunikation mit anderen Beteiligten gedacht gewesen wären." Aber die Online-Durchsuchung alleine sei kein Königsweg, zumal die Verhafteten von Oberschledorn in Erwartung der Überwachung laufend die Laptops und Rechner gewechselt hätten.

Abschließend warnte Griesbaum vor der großen Gefahr, dass sich die Staatsanwaltschaft vom Wissensvorsprung der IT-Fachleute abhängig mache. Das könne zur Folge haben, dass Staatsanwälte nicht mehr eigenverantwortlich über ihre Maßnahmen entscheiden können. IT-Fachleute könnten verschleiern, dass es andere Auswertungsmöglichkeiten geben könnte, die sie entbehrlich machen würden. Problematisch sei auch, wenn in angeordneten Ermittlungen die IT-Umsetzung auf sich warten lasse, weil die Fachleute fehlen. Griesbaum plädierte daher für die Einrichtung von IT-Spezialreferaten für Online-Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft. Diese müssten dann mit den Fachreferaten der forensischen digitalen Beweisführung der Polizei zusammenarbeiten, hätten aber eine eigene, unabhängige Technikkompetenz.

Siehe zur Herbsttagung des BKA auch:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Detlef Borchers) / (jk)