Sind Dicke weniger depressiv?

Die Variante eines Gens, das zur Fettleibigkeit prädisponiert, scheint nach einer Studie zumindest geringfügig vor Depression zu schützen

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Dicke werden zwar vielfach als unverantwortliche Zeitgenossen betrachtet, die die Verantwortung für ihren Körper nicht wahrnehmen und einen falschen Lebensstil pflegen. Sie essen zu viel und zu fett angeblich, die nehmen zu viele gesüßte Getränke zu sich, sie sitzen zu viel und bewegen sich zu wenig. Wer etwas auf sich hält, ist dagegen asketisch, treibt Sport bis zum Exzess und zeigt möglichst kein Gramm Speck. Und die Gesellschaften haben sich anstecken lassen, um angeblich im Dienst der Gesundheit, des längeren Lebens und der Kostenreduzierung für das Gesundheitswesen, der grassierenden Fettleibigkeit den Krieg anzusagen, einen "War on Obesity" zu führen, um die Körper der Bürger in die gewünschte Formen zu kriegen.

Der Verdacht lag schon immer nahe, dass diejenigen, die sich exzessiv um das Aussehen ihres Körpers kümmern und ihn mittels Disziplin zur strammen Form zu unterwerfen suchen, nicht gerade Lust- oder Genussmenschen sind, sondern die Beziehung zu sich selbst noch als Arbeit kultivieren. Man hat einen Körper, aus dem man nicht entkommt, ist aber nicht eins mit ihm. Bei Dicken hat man hingegen oft den Eindruck, dass sie sich trotz wabbelnder Körpermassen in ihrem Leib ganz wohlühlen, auch wenn sie in bestimmten sozialen Schichten eher verachtet oder gemobbt werden.

Eine Studie, die in der Zeitschrift Molecular Psychiatry erschienen ist, hat nun für die Dicken noch ein erfreuliches Ergebnis herausgefunden. Das internationale Wissenschaftlerteam hat in einer Metastudie über 17.000 DNA-Proben von Menschen aus unterschiedlichen Ländern auf Varianten des Gens FTO untersucht, das Menschen zur Fettleibigkeit prädisponiert. Darunter waren 6.561 Menschen, die unter einer schweren Depression leiden, und eine Kontrollgruppe von 21.932 Menschen. Dabei stellte sich heraus, dass die Genvariante FTO rs9939609 A zwar die Wahrscheinlichkeit erhöht, fettleibig zu werden, aber dass sie gleichzeitig - geringfügig - davor zu schützen scheint, depressiv zu werden.

Oft wird davon ausgegangen, dass Fettleibigkeit auch die Neigung zur Depression befördert oder auch, dass es einen genetischen Zusammenhang zwischen Adipositas und Depression gibt. Nach dieser Studie liegt ein konträrer Zusammenhang vor, wenn es eine mit dem Gen FTO verbundene genetische Disposition zur Fettleibigkeit gibt. Menschen mit der FTO-Genvariante haben eine leichte, nämlich achtprozentig geringere Wahrscheinlichkeit depressiv zu werden. Dick werden können allerdings Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen, so dass etwa eine Depression zur Fettleibigkeit oder das Dickwerden zur Ausbildung einer Depression führen kann