Wenn das Aussehen zum Verdacht reicht...

...und der Verdacht zur tödlichen Notwehr, die dem Schützen die Gerichtsverhandlung erspart. Der Fall Trayvon Martin, die Rassismusdebatte in den USA und Obama

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Dass Rassismus in den USA auch unter Präsident Obama ein elementares Thema bleibt, an dem man die rückwartsgewandte, vorurteilsbeladene Seite der USA ablesen kann, läßt sich an bestimmten Zahlen leicht ablesen. So braucht man sich nur die Belegung der Gefängnisse anzuschauen, um ein Missverhältniss zwischen Schwarzen und Weißen deutlich zu erkennen:

"In truth, there are more black men in the grip of the criminal-justice system—in prison, on probation, or on parole—than were in slavery then."

Wie eine Studie jüngst berichtete, zeigt sich das Missverhältnis bereits, wenn es um Schulstrafen geht: Schwarze werden mit dreifach größerer Wahrscheinlichkeit bestraft als weiße Schüler. Wer daraus den Schluss zieht, dass schwarze Schüler "böser" sind als weiße, hat niemals eine Schule besucht. Wer eine solche besucht hat, weiß, wie sehr Lehrer, wenn sie in Nöte gebracht werden, auf Vorurteile zurückkommen. Dafür gibt es bestimmte Auslöser, die solche Vorurteile triggern.

Um einen solchen Auslöser geht es aktuell auch bei dem Fall, der zu neuen, heftige Rassismus-Diskussion in den USA geführt hat. Am 26. Februar erschoss der weiße Latino George Zimmerman, in einem Ort in Florida unterwegs als Neigbourhood-Watcher, den schwarzen 17jährigen Trayvon Martin, an dessen Fersen er sich geheftet hatte, weil er ihm verdächtig vorkam. Zimmerman verfolgt den Jungen, der sich in einer Tankstelle Süßigkeiten gekauft hat, im Auto, telefoniert mit der Polizei.

Obwohl ihm diese dazu rät, den Jungen zu lassen, hält Zimmerman irgendwann an, "stellt" den Jungen und erschießt ihn. Zimmerman stellt es als Notwehr hin, der Junge soll ihn bedroht haben, Waffengesetze in Florida sind auf seiner Seite. Der Schütze bleibt juristisch unbehelligt, was zu großen Protesten geführt hat.

(

Einfügung

: Der Polizei gegenüber gab Zimmerman an, dass ihn der 17-Jährige ins Gesicht geschlagen und überwältigt habe und ihm mehrmals den Kopf aufs Pflaster geschlagen. Die zuständige Polizeistation in Sanford weigert sich gegenüber Medienmeldungen, die dies aus Polizeiprotokollen zitieren, Stellung zu nehmen: "it could not 'confirm or deny' the account.)

Im Zentrum der öffentlichen Diskussion über den Fall steht die Frage, ob der Junge letztlich wegen seines Aussehens - wegen seiner Hautfarbe - erschossen wurde.

Zum ohnehin entzündlichen Gemisch aus rassistischen Vorurteilen und einem äußerst freizügigen wildwestartigem Waffengesetz goß der Fox-Kommentator Geraldo Rivera weiteres Öl ins Feuer, als er in zwei Sendungen eine seltsame Gleichung aufstellte: Der Kapuzenpullover (den der junge Schwarze trug, Einf. d. A.) sei "genau so für den Tod Trayvon Martins verantwortlich wie George Zimmerman". Eltern von schwarzen und Latino-Jugendlichen sollten ihren Söhnen nicht erlauben, solche Kleidungsstücke zu tragen.

“Who else wears hoodies?” he asked. “Everybody that ever stuck up a convenience store; D.B. Cooper, the guy that hijacked a plane; Ted Kaczynski the Unabomber.”

Ganz nachvollziehbar erscheint die Diskussion, die sich auf das Kleidungsstück bezieht nicht, weil der Kapuzenpullover so verbreitet ist, dass eine eindeutige Verdachtszuschreibung willkürlich erscheint. Die Hoodies werden in den USA als Freizeitkleidung wahrscheinlich in jeder Schicht getragen wie auch in den meisten westlichen Ländern. Auch Milliardäre, die nicht Zuckerberg heißen, können am Wochenende in solchen Kapuzenjacken oder - pullovern angetroffen werden (zum Beispiel in Süddeutschland am Tegernsee oder an den Isarauen in Grünwald).

Der wunde Punkt, den die Diskussion in den USA berührt, ist, dass Schwarze noch immer mit Vorurteilen zu tun haben - mit Wahrnehmungen, die, wenn es um Verdächtigungen und der Möglichkeit mit Gewalt auf Verdacht zu reagieren, geht, sehr schnell und leicht tragische Folgen haben. Wie leicht sich da jene angegriffen fühlen, die für ein "rechtschaffenes", rechtsgerichtetes Amerika eintreten, zeigt sich an der hysterischen Reaktion des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Newt Gingrich auf eine Bemerkung Obamas. Der Präsident, der sich gewöhnlich Rassismusdebatten fernhält, hatte zum Fall Trayvon Martin gesagt, dass sein Sohn, wenn er einen hätte, aussehen würde wie Trayvon Martin.

Gingrich reagierte darauf mit dem Vorwurf, dass die Äußerung des Präsidenten alle in Angst und Schrecken versetzen müsste, weil der Präsident damit suggeriere, dass es okay gewesen wäre, wenn es ein Weißer gewesen wäre, der erschossen worden wäre, weil er dann nicht wie Obama ausgesehen hätte.

“Is the president suggesting that, if it had been a white who'd been shot, that would be okay, because it wouldn't look like him?”