Katalonien schreitet in Richtung Unabhängigkeit voran

Das Parlament in Barcelona wird die Souveränität Kataloniens als "politisches und juristisches Subjekt" beschließen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die gemäßigten konservativen Nationalisten der Konvergenz und Union (CiU) haben sich mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) auf das Vorgehen geeinigt, um Katalonien auf den Weg in die Unabhängigkeit von Spanien zu bringen. Eine dreiseitige Erklärung wurde am Freitag an die im Parlament von Barcelona vertretenen Parteien weitergeleitet. Am 23. Januar soll die "demokratische Souveränität" Kataloniens als "politisches und juristisches Subjekt" beschlossen werden. In dem Papier wird der Willen ausgedrückt, "das Recht auf Selbstbestimmung" auszuüben und "Katalonien als neuen Staat innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu konstituieren".

Das hatten beide Parteien im Wahlkampf zu den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen November versprochen. Zuvor gingen am vergangenen 11. September in Barcelona fast zwei Millionen Menschen dafür auf die Straße. Die linke ERC drängte in den Gesprächen zur Regierungsbildung darauf, einen klaren Fahrplan aufzustellen. Die ERC-Generalsekretärin Marta Rovira hat am Freitag in der katalanischen Metropole erklärt, es handele sich bisher noch um ein "Arbeitspapier". Sie forderte im katalanischen Fernsehen die Parteien, die für das Selbstbestimmungsrecht eintreten, zu "Beiträgen und Stellungnamen" auf.

Gesucht werde ein breiter Konsens, für den "alle Anstrengungen" unternommen würden. Der wesentliche Inhalt der Erklärung dürfe allerdings nicht verwässert werden, sagte Rovira. "Dieses Dokument soll die Basis für die Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht in unserem Land schaffen." Es soll von allen Parteien, die sich als demokratisch verstehen, geteilt werden. Da sich die in Spanien regierende Volkspartei (PP) und die kleine Regionalpartei Ciutadans aggressiv gegen das Selbstbestimmungsrecht stellen, erhielten sie das Dokument nicht. Kritisiert werden darin auch die Versuche der Rezentralisierung durch die spanische Regierung, womit Autonomierechte und "soziale, finanzielle, kulturelle und linguistische Kompetenzen" ausgehöhlt würden.

Im fernen Madrid drohte am Freitag nach der Kabinettssitzung das PP-Führungsmitglied Soraya Sáenz de Santamaría den Katalanen offen. Die Regierungssprecherin sagte: "Wir wollen in aller Klarheit deutlich machen, dass wir als Regierung der Nation und Erfüllung unserer verfassungsmäßigen Aufgabe dafür sorgen werden, dass die Verfassung und die Gesetze eingehalten werden." Sie spricht immer wieder davon, dass das Referendum, mit dem 2014 über die Unabhängigkeit von Spanien abgestimmt werden soll, "illegal" sei. Man verfüge über viele Mechanismen, um es zu verhindern.

In Katalonien sieht man sich allerdings im Einklang mit dem Völkerrecht. Das sieht das Selbstbestimmungsrecht ausdrücklich vor. Im Kosovo und in Mazedonien hat auch die EU die Unabhängigkeit von Serbien gefördert und beide neuen Staaten – anders als Spanien - anerkannt. Zudem verweist man in Barcelona auf Schottland. Während sich Madrid und die PP weigern, auch nur zu verhandeln, ging es zwischen Briten und Schotten anders zu. Im Herbst einigte sich die linksnationalistische schottische Regionalregierung mit der konservativen britischen Regierung darauf, die Schotten 2014 demokratisch in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts per Referendum über ihre Unabhängigkeit von Großbritannien entscheiden zu lassen.

Eigentlich reichen die Stimmen von CiU und ERC aus, um das Dokument zu beschließen. Die Linksnationalisten, die stets für die Unabhängigkeit eingetreten sind, verfügen mit 21 Sitzen nun über mehr als doppelt so vielen Parlamentarier als zuvor. Doch ERC und die CiU von Regierungschef Artur Mas setzen darauf, dass auch die kleine linksradikale CUP zustimmt, die erstmals mit drei Sitzen im Parlament vertreten ist. Eine Zustimmung wird auch von der linksgrünen Initiative für Katalonien (ICV) erwartet, die gestärkt nun über 13 Parlamentarier verfügt. Insgesamt wären das schon knapp zwei Drittel aller Stimmen.

Doch man richtet sich auch an die katalanischen Sozialisten. Die Sektion der spanischen PSOE tritt nämlich grundsätzlich für das Selbstbestimmungsrecht ein. Doch der katalanische Parteichef Pere Navarro hat schon klar seine Ablehnung signalisiert. "In diesem Dokument ist ein Projekt überflüssig, weshalb es für uns unmöglich ist, es zu unterstützen: die Unabhängigkeit." Sein Kurs ist aber im starken katalanistischen Flügel sehr umstritten. Er ist angesichts des Wahldebakels angeschlagen. Statt sich als zweitstärkste Kraft zu verteidigen, fiel die PSC mit 20 Sitzen noch hinter die ERC zurück, weil sie sogar acht Sitze eingebüßt hat. Am 2. Februar will sie über ihren Kurs beraten. Weil sie intern sehr gespalten ist, wird favorisiert, bei einem Referendum für eine Stimmenthaltung zu werben.