Wem gehört der Kiesstrand am Altrhein?

Der "Schwarzwälder Bote" und die Homophobie

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Nachbarschaftsstreit ist eines der beliebten Themen des Lokaljournalismus. Der Schwarzwälder Bote berichtete am 1.9. daher auch über Streitigkeiten, die sich in der Gemeinde Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach) zutragen. Es geht um einen Badestrand am Altrhein:

"In der rund 8450 Einwohner zählenden Gemeinde Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach) ist ein alter Streit darüber neu entbrannt, wem der Kiesstrand am Altrhein der Isteiner Schwellen gehört. Familien mit Kindern oder textilfreien Sonnenanbetern, darunter Homosexuelle?"

Nun wäre schon an dieser Stelle zu fragen, ob das wirklich das richtige Gegensatzpaar ist. Schließlich gibt es homosexuelle Familien mit Kindern ebenso wie Familien, die sich gerne textilfrei geben - gerade Kleinkinder zeigen beim Bade ja vorzugsweise ihre primären Geschlechtsorgane, ohne dass ebenselbe, die Kinder, direkt mit jenem, dem Bade, ausgeschüttet würden. Derlei Präzisierungen sind freilich weder Sache der Efringer Landwirte noch des über sie schreibenden Autors des Schwarzwälder Boten. Im Gegenteil, es geht undifferenziert weiter, denn wo Homosexuelle sind, da sind sexuelle Handlungen nicht weit.

"Schon vor elf Jahren wurde im Ortschaftsrat Kleinkems, einem Ortsteil von Efringen-Kirchen, offen diskutiert, mit auf Feldern ausgebrachter Gülle den gleichgeschlechtlich liebenden Männern die Lust auf Sex zu verderben."

Merke: Wo gleichgeschlechtlich geliebt wird, da ist der Sex nicht weit, und er wird prompt an Ort und Stelle in aller empörter Öffentlichkeit vollzogen. Einen Beleg für diese Behauptung bleiben sowohl die Gülle verstreuenden Landwirte aus Kleinkems als auch der Autor des Schwarzwälder Boten schuldig. Als Gewährsmann wird lediglich ein "Diakon der katholischen Seelsorgeeinheit Istein-Kandern" angegeben, der sich auch nicht direkt, sondern nur in einem "Leserbrief" äußert:

"'Ausgerechnet da, wo der Rhein seinen natürlichsten und schönsten Sandstrand zeigt, da liegen, sitzen und laufen nackte Männer herum, entblößen sich vor den Augen der Kinder und gehen ihren sexuellen Geschäften nach ohne Schamgefühl', schrieb der Diakon - und forderte ein Nacktbadeverbot."

Herr Diakon impliziert damit natürlich, dass es irgendwie unnatürlich sei, sich als Mann so nackt zu zeigen, wie Gott ihn schuf - ein alter katholischer Reflex, dessen Paradoxie man getrost den Diakonen überlassen kann. Dabei liegt die Lösung doch so nah wie eine Liegewiese am Nacktbadestrand, und der Schwarzwälder Bote nennt sie sogar, ohne freilich drauf zu kommen:

"Nackt liegen Männer und Frauen dort am Wasser und sorgen für Diskussionen. Zumal sich dem Nudistentreff ein Treffpunkt für Homosexuelle angeschlossen hat - der prompt in den Blick mancher Ortsansässiger geraten ist."

Genau, man könnte als Ortsansässiger einfach den Blick wieder abwenden. Schon sieht man nichts von dem "Schweineladen", der an anderer Stelle in dem Artikel apostrophiert wird. Das letztlich die ganze Affäre nur ein Sturm im Wassertümpel ist, macht denn auch die kluge Ortsverwaltung von Efringen-Kirchen deutlich:

"Im Rathaus von Efringen-Kirchen will man sowieso nicht tätig werden. Mit den sinkenden Temperaturen hofft man dort auf ein Abkühlen der hitzigen Diskussion."

Was lernen wir aus den Zeilen des Schwarzwälder Boten? Dass mit den Wörtern "nackt", "FKK" und "Homosexuelle" auch im Lokalteil einer kleinen Regionalzeitung irgendwie kein Laden zu hüten ist. Da braucht es auch keine Recherche, keine Überprüfung und keine Belege. Die Reizwörter allein schaffen das diskursive Klima, in dem sich bramabarsieren lässt, dass es für jeden katholischen Diakon eine Freude ist. Und für andere Leser ist der Artikel vermutlich auch nicht gedacht. Wenn "denken" hier überhaupt die richtige Vokabel ist.