AKW-Bau in Finnland: E.on allein zuhaus

In Finnland wird gebaut und gebaut und gebaut, und irgendwann gehen vielleicht einmal neue AKW ans Netz. Anderswo wird hingegen abgeschaltet, während Deutschland die Laufzeiten verlängert hat

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E.on laufen in Finnland die Partner für seinen AKW-Neubau Fennovoima davon. Wie die taz berichtet, haben sich sechs Unternehmen abgesetzt, die zusammen zehn Prozent am Vorhaben hielten. Für die müssen nun neue Interessenten gefunden werden, es sei denn, die verbleibenden Gesellschafter erhöhen ihre Anteile. Unter denen ist E.on mit bisher 35 Prozent der größte.

Zehn Prozent der Einlagen zu ersetzen, mag unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kein zu großes Problem sein, zumal die Bundesregierung ja dafür sorgt, dass daheim die Gewinne weiter sprudeln. Allerdings ist der Ausstieg symptomatisch dafür, dass auch in Finnland der Neubau von AKWs nicht mehr besonders populär ist. Aus dem Konsortium verabschiedet haben sich unter anderem ein Lebensmittelkonzern und eine Supermarktkette, die mit Boykottaufrufen zu kämpfen hatten. Natürlich fragt man sich ohnehin, wie sie überhaupt auf die Idee kommen konnten, sich an einem solchen Projekt zu beteiligen.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat unterdessen bereits im Mai darauf hingewiesen, dass E.on sich womöglich mächtig verkalkuliert. Eine Inbetriebnahme bis 2020 sei reines Wunschdenken. Erhöhte Sicherheitsauflagen als Folge des multiplen Reaktorunglücks im japanischen Fukushima führten zu erheblichen ökonomischen Risiken im Genehmigungsverfahren. Am finnischen AKW Olkiluoto wird seit 2005 gebaut und die Inbetriebnahme verzögert sich immer weiter. Inzwischen wird von frühestens 2014 ausgegangen. Die Baukosten schätzt Greenpeace inzwischen auf sechs Milliarden Euro. Ursprünglich sollte das AKW 2009 ans Netz gehen und drei Milliarden Euro kosten.

Wundert es da noch, dass sich die Atomwirtschaft inzwischen weltweit auf einem absteigenden Ast befindet, wie das europäische Nachrichtenportal euractive schreibt? 2011 sind zwar sieben neue Reaktoren ans Netz gegangen, zugleich wurden aber 19 stillgelegt. Und da sind noch nicht einmal die mehreren Dutzend japanischer AKWs mitgezählt, die derzeit stillstehen und vermutlich nur gegen den erheblichen Widerstand der Bevölkerung wieder in Betrieb zu nehmen sein werden. In verschiedenen Ländern wie Brasilien und den USA seien Neubaupläne aufgegeben worden, neben Deutschland hätten Belgien, die Schweiz und Taiwan den langfristigen Ausstieg aus der Atomwirtschaft beschlossen. In Italien war der Wiedereinstieg mit überwältigender Mehrheit in einem Referendum abgelehnt worden.

Andererseits weiß man ja nie, wie sich die politischen Konjunkturen so entwickeln. Bei der Verve, mit der inzwischen hierzulande liberale und konservative Politiker im Einklang mit großen Teilen der Industrie gegen die Energiewende zu Felde ziehen, sollte es nicht wundern, wenn bald auch noch erneut eine Laufzeitverlängerung aus dem Hut gezogen wird. Doch damit lässt sich natürlich selbst unter der liberalen Klientel kein Wahlkampf mehr bestreiten, deshalb wäre mein Tipp, dass man bis zum Winter 2013 wartet, wenn die Bundestagswahl überstanden ist und Angela Merkel wieder einer großen Koalition vorsitzt.

Aber selbst wenn es beim Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg bleibt, werden die neun verbleibenden AKW noch eine ganze Zeit weiterlaufen. Die letzten, Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2, sollen erst 2022 vom Netz gehen, die meisten anderen haben Laufzeiten bis 2019 oder 2021. Rainer Roth und Jens Wernicke weisen in einem im letzten Oktober erschienenen – sehr lesenswerten – Bändchen ( "Der Kernschmelze keine Chance", Leseprobe hier) mit Recht darauf hin, dass es sich beim sogenannten Ausstieg in Deutschland im Grunde um eine Verlängerung der Laufzeiten auf 35 bis 40 Jahre handelt, eine Lebensspanne, für die die Anlagen ursprünglich nicht gedacht gewesen sind.