Gipfel-Gefahren

Da Peak Oil erreicht und die Ölförderung nicht mehr zu steigern ist, droht der Weltwirtschaft vom hohen Ölpreis Ungemach. Probleme Südeuropas sind auch eine Peak-Oil-Folge

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Hierzulande und in einigen Nachbarländern müssen die Verbraucher an den Tankstellen so viel wie nie zuvor bezahlen, und der Preis für die in Europa geltende Ölsorte Brent ist, wie berichtet (siehe Iran, das Öl und die Wirtschaftskrise), mit rund 121 US-Dollar pro Barrel bereits seinem Allzeithoch von 2008 bereits ziemlich nahe.

Da fragt sich, wie viel dieser Preisentwicklung der momentanen Krise im Nahen Osten geschuldet ist, wo sich US-Neocons eifrig bemühen, Öl ins Feuer der diversen Konflikte zu gießen und dabei im iranischen Regime einen Gegenspieler gefunden haben, der den Ball begierig aufnimmt.

Wäre dies der hauptsächliche Grund für den jüngsten Preisanstieg, könnten wir uns immerhin damit beruhigen, dass die Verteuerung nur eine vorübergehende Erscheinung sein wird. Die ökonomischen Auswirkungen wären allerdings vermutlich trotzdem noch recht unangenehm, denn der Preis ist bereits gefährlich nahe jener Grenze, jenseits derer die Wahrscheinlichkeit einer weltweiten Rezession rasch zunimmt (siehe auch Warum der Benzinpreis nicht sinken darf).

Ein Blick auf die Preise von Ölfutures zeigt nun aber, dass der Preisanstieg alles andere als eine Eintagsfliege ist. Auch für Lieferungen in den nächsten Monaten und Jahren werden noch annähernd die gleichen hohen Preise verlangt.

Eine Bemerkung am Rande: Nominell sind die Futures zum Beispiel für Ende 2015 um zwölf oder noch mehr US-Dollar pro Barrel günstiger als eine Lieferung, die im März 2012 erfolgt. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass derjenige, der jetzt eine Öllieferung bezahlt, die er erst in drei Jahren bekommen wird, auch die Zinsen als Kosten einrechnen muss, die er für sein Geld bekäme, wenn er nicht den Anspruch auf eine künftige Lieferung kaufen, sondern es anderweitig anlegen würde.

Die Ölhändler halten die derzeitigen hohen Preise also nicht für übertrieben, sondern gehen vielmehr davon aus, dass sie mindestens für die nächsten vier Jahre anhalten, für die derzeit Futures gehandelt werden.

Der Grund könnte darin liegen, dass Peak Oil, der Höhepunkt der Ölförderung, bereits hinter uns liegt. Ende Januar haben im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature der britische Ökonom David King und der US-amerikanische Klimawissenschaftler James Murray darauf hingewiesen, dass die weltweite Förderung konventionellen Rohöls seit 2005 zwischen 72 und 75 Millionen Barrel stagniert.

Das ist insofern beachtlich, als in der Vergangenheit die Förderung stets dem Preis gefolgt ist. Wurde das Öl teurer, so wurde bisher stets mit einiger Verzögerung mehr Öl auf den Markt geworfen. Seit 2005 besteht dieser Zusammenhang jedoch nicht mehr. Die konventionelle Förderung ist offensichtlich nicht mehr zu steigern; neue Vorkommen reichen gerade noch, um die nachlassende Ausbeute der alten Felder zu kompensieren. Auch aus den unkonventionellen Quellen, wie den Teersänden Kanadas und Venezuelas, kann nicht ausreichend und nicht schnell genug gefördert werden.

Die beiden Nature-Autoren warnen wie andere auch vor den schweren wirtschaftlichen Folgen, die der hohe Ölpreis haben kann und halten ihn für eine der Ursachen der Eurokrise. Am Beispiel Italiens erläutern sie die Auswirkungen des hohen Ölpreises auf die Handelsbilanz:

"In 1999, when Italy adopted the euro, the country’s annual trade surplus was $22 billion. Since then, Italy’s trade balance has altered dramatically and the country now has a deficit of $36 billion. Although this shift has many causes, including the rise of imports from China, the increase in oil price was the most important. Despite a decrease in imports of 388,000 barrels per day compared with 1999, Italy now spends about $55 billion a year on imported oil, up from $12 billion in 1999. That difference is close to the current annual trade deficit. The price of oil is likely to have been a large contributor to the euro crisis in southern Europe, where countries are completely dependent on foreign oil."

Die beiden Autoren verweisen darauf, dass der Internationale Währungsfonds für die kommenden Jahre für die Weltwirtschaft noch immer ein jährliches Wachstum von vier Prozent prognostiziert, was im historischen Kontext sehr viel ist.

Dieses Wachstum werde aber nur möglich sein, wenn die Öl-Förderung um "heroische" drei Prozent pro Jahr gesteigert würde, es eine erhebliche Effizienz-Steigerung im Öleinsatz gäbe oder aber eine rasche Substitution des Kraftstoffes stattfinde. Kohle, die sich ja zum Beispiel verflüssigen ließe, schließen King und Murray übrigens wegen deren Verteuerung und der sich auch dort abzeichnenden mittelfristigen Verknappung als Alternative ausdrücklich aus.

Mit anderen Worten: Nicht nur um den Klimawandel einzudämmen, sondern auch um größere weltwirtschaftliche Verwerfungen zu vermeiden, muss der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger dringend beschleunigt werden. Sowohl in einem wie im anderen Fall gilt: Je länger abgewartet und verzögert wird, desto drastischer die Folgen.