Das Ende der Freizügigkeit

Sarkozy und Berlusconi wollen das Schengener Abkommen verändern und beschwören dabei einen rechten Geist herauf, dem sich auch der deutsche Innenminister gerne anschließt

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"Genau weil wir an Schengen glauben, wollen wir Schengen verstärken." Wer glaubt den Worten Sarkozys? Zusammen mit Berlusconi fordert er Veränderungen des Schengener Abkommens, die großen Interpretationsspielraum bei der Wiedereinführung von Grenzkontrollen einräumen würden. Die Auflösung dieser Barrieren ist der Kern des Schengener Abkommens.

Die EU solle prüfen, ob es nicht die Möglichkeit gebe die Grenzkontrollen der Mitgliedstaaten wieder einzuführen, bitten Berlusconi und Sarkozy in einem Brief an Barroso. Die Maßnahme müsse für "außerordentliche Schwierigkeiten bei der Handhabung der gemeinsamen äußeren Grenzen" ins Auge gefasst werden. Eine Verstärkung des Einsatzes von Frontex zur Überwachung der äußeren Grenzen wird ebenfalls gefordert.

Die Kriterien dafür, wann die Bedingungen für Ausnahmesituationen gegeben seien, müssten erst noch definiert werden, heißt es in dem Schreiben der beiden weiter. Frankreich will in seiner Grenzpolitik nicht weiter von EU-Regelungen gestört werden, so der Klartext zur Rhethorik Sarkozys. Die ist von Karrierewünschen getragen. Mit der harschen Ablehnung von Flüchtlingen aus Nordafrika, wo Sarkozy, um außenpolitischen Glanz zu holen, Kriegspolitik betreibt, hat man rechte Wählerschichten im Auge, die Flüchtlinge mit "Überfremdung" und "Schmarotzertum" in Zusammenhang bringen und auch von der EU nichts halten.

Die schnelle Antwort aus Brüssel lässt vieles offen: Es sei jetzt schon möglich, zeitweise Kontrollen an den nationalen Grnezübergängen durchzuführen. Wir müssen nun die Bedingungen dafür präziser fassen, wird der Sprecher der EU-Kommission Olivier Bailly zitiert. Anfang Mai wolle man genauere Formulierungen vorstellen. Der Schritt, nationale Grenzen zeitweise zuzulassen, werde allerdings als "letzter Ausweg" verstanden, falls ein Staat an den Außengrenzen der EU seine Verpflichtungen, die zu kontrollieren, nicht nachkommen kann.

Auch der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) teilt die Auffassungen Berlusconis und Sarkozys zu den Grenzkontrollen innerhalb der EU. In Extremfällen müssten Mitgliedsstaaten die Erlaubnis haben, ihre Grenzen wieder zu kontrollieren. Die Ausnahmeregelungen des Schengen-Abkommens müssten "vereinfacht" werden, ohne die Reisefreiheit zu gefährden. Schon Anfang April hatte er die italienische Visavergabe an die Flüchtlinge aus Tunesien als Verstoß gegen den "Geist von Schengen" kritisiert und war für schärfere Grenzkontrollen eingetreten.