Heldenhafte Bild-Absage

"Wir sind Helden"-Frontfrau Judith Holofernes hat sich eine Meinung gebildet - auch über die Bild-Zeitung

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Wir alle kennen die großflächigen Plakate, auf denen Prominente wie Til Schweiger, Veronica Ferres, Armin Rohde, Thomas Gottschalk, David Garrett, Marius Müller-Westernhagen, Udo Lindenberg, Michelle Hunziker, Peter Scholl-Latour, Katharina Witt oder Bill Kaulitz der Bild mal so richtig die Meinung sagen. Mit der Aktion solle "hochkarätigen Prominenten eine Bühne" geboten werden, "ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen", heißt es in einem Schreiben der Werbeagentur Jung van Matt an die Musikgruppe Wir sind Helden, in dem der "hochkarätigen" Band angetragen wird, sich ebenfalls zu beteiligen.

Deren Leadsängerin Judith Holofernes betrachtete dieses vermeintliche Kompliment eher als Beleidigung und erteilte der renommierten Hamburger Agentur eine harsche Absage: " - bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -Kampagne mitmachen wollen: Ich glaub, es hackt."

Wir sind Helden sind eine deutsch-sprachige Pop-Rock-Band, deren viertes Album "Bring mich nach Hause" in Deutschland und Österreich aus dem Stand den ersten Platz der Charts belegte. In den Texten setzt sich die Band u. a. kritisch mit Konsumterror und der Rolle der Medien auseinander. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen, so ist. z.B. auf ihrer Homepage die Anti-AKW-Sonne zu sehen, und Bassist Mark Tavassol unterstützt das Projekt "Viva con Aqua" des ehemaligen St. Pauli-Spielers Benjamin Adrion. Dabei lassen sie sich nicht vereinnahmen, Wahlkampfauftritte für politische Parteien lehnte die Band wiederholt ab

Jung van Matt zählt zu den renommiertesten Werbeagenturen dieses Landes. Die Agentur war eine von insgesamt 25 Werbeunternehmen, die die Kampagne "Wir sind Deutschland" entwickelten. Zu ihren Kunden zählen die Deutsche Post, Mercedes Benz, Sixt, REWE, bekannte Spots aus dem Hause Jung van Matt sind u.a. "Ricola - Wer hats erfunden?" - "Aber bitte mit Rama" - "Geiz ist Geil". Und eben "Bild Dir Deine Meinung", bei der Prominente sich zu Bild äußern. Frei und unentgeltlich, wie auf den Plakaten zu lesen ist. Allerdings nicht ganz unentgeltlich: Zwar bekommen die Promis tatsächlich keine Gage, aber Bild spendet für einen wohltätigen Zweck nach Wahl 10.000 € pro Nase.

Eine Meinung zu Bild hatte sich Judith Holofernes indes schon gebildet. Und diese tat sie Jung van Matt umgehend kund:

"Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut und kein harmloses 'Guilty Pleasure' für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle-Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands. Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument - nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda."

Die Korrespondenz wurde zunächst auf der Website der Band veröffentlicht, woraufhin diese so häufig frequentiert wurde, dass der Server zusammenbrach

Judith Holofernes ist nicht die einzige, die Bild konsequent ablehnt. Nachdem das "Revolverblatt" im September 2010 mit Thilo Sarrazin titelte, haben sich ein Kioskbesitzer und ein Bäcker im Altonaer Szene-Stadtteil Ottensen in Hamburg dafür entschieden, Bild aus dem Sortiment zu nehmen. Von der Kundschaft erhielten sie dafür fast 100% Zustimmung. Nur einige wenige Kundinnen und Kunden blieben weg, weil "man wird doch wohl noch mal sagen dürfen, ...", dafür kommen aber unterdessen andere Käuferinnen und Käufer, die die Boykott-Aktion gezielt unterstützen wollen.

Außerdem bildete sich in Hamburg eine Initiative, die die Idee des Bild-Boykotts in andere Stadtteile tragen will, indem sie mit Kioskbesitzern in der Nachbarschaft über den Inhalt des Springer-Blatts diskutieren.