Schützt endlich unsere Kinder!!! Oder: TV springt auf den "böses Internet"-Zug auf

Außer Kontrolle

RTL II startet mit der "anspruchsvollsten Eigenproduktion" und einem "gesellschaftspolitischem Anliegen" - die Details lassen Übles erahnen.

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Als ich gestern in der Fernsehzeitung über die bevorstehende Reihe "Tatort Internet" stolperte, schwante mir schon Übles. "Wie Netzkriminelle Gutgläubige und Sicherheitslücken für perfide Abzocke nutzen", soll die 10teilige Serie zeigen. Interessanterweise hatte "Tatort Internet" in der Fernsehzeitung keinen Untertitel - hätte ich den gesehen, wären die Alarmglocken wahrscheinlich sofort losgeschrillt.

Der Untertitel lautet nämlich "Tatort Internet - schützt endlich unsere Kinder". Eigentlich fehlen nur noch fünf bis zehn Ausrufungszeichen, um sich auf der Trollwiese eines Forums zu wähnen. Zu plakativ ist der Titel, zu melodramatisch und aufmerksamkeitsheischend.

Wer sich nun etwas näher mit der bevorstehenden Sendung befasst, der findet bekannte Namen und Themen. So wird der erste Teil der zehnteiligen Serie von einer Dame moderiert, die im Bereich "schützt unsere Kinder" keineswegs unbekannt ist. Stephanie von und zu Guttenberg, Ehefrau des Verteidigungsministers und ihrerseits beim Verein "Innocence in Danger" aktiv, wird als Moderatorin und Unterstützerin das Format vorstellen. Ebenfalls mit im Boot sind der ehemaligen Hamburger Innensenator und Polizeipräsident Udo Nagel sowie Psychiater, Politiker, Sexualwissenschaftler und andere Fachleute.

Endgültig klar wird, wohin die Reise geht, wenn es heißt: "Das Ziel von 'Tatort Internet' ist eine Gesetzesänderung, damit nicht nur der tatsächliche Kindesmissbrauch, sondern auch die unsittliche Annäherung über das Internet, das sogenannte Cyber-Grooming, unter Strafe gestellt werden kann."

Man kann das Ganze also, sollte es nicht eine Riesenüberraschung am 7. Oktober um 20.15 Uhr geben, auf eines reduzieren: Werbesendung für das, was unter anderem "Innocence in Danger" möchte, genauso wie die ehemalige Familienministerin Frau von der Leyen und genauso wie jene EU-Politiker, die sich momentan gerade u.a. von "Innocence in Danger" und dem BKA zum Thema Websperren und andere Möglichkeiten, um gegen Kinderpornographie im Netz vorzugehen, beraten lassen: Zur Auswahl stehen neben den bekannten Websperrideen auch Deep Packet Inspection.

Dass die Bild-Zeitung, die schon fleißig die Werbetrommel rührt, mit "Stephanie von Guttenberg jagt Kinderschänder im Internet" titelt, ist da nur zusätzlich widerlich.

Die Reihe sollte am 11. Oktober beginnen, wird nun aber früher gesendet, nämlich am 07.10.2010. Am 7 und 8. Oktober tagt der Rat der Justiz- und Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten und am 15. November soll endgültig feststehen, welche Position man zu dem Gesetzentwurf von Cecilia Malmström (der auch Websperren enthält) einnehmen wird.