Gipfel der zwei Welten

In Santiago de Chile ist das erste Treffen der Europäischen Union mit dem Regionalbündnis CELAC zu Ende gegangen

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In der chilenischen Hauptstadt Santiago ist nach drei Tagen die ersten Zusammenkunft der EU mit Vertretern der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten ( CELAC) zu Ende gegangen. Deutlich wurde dabei, dass beide Regionen erhebliche Unterschiede trennen - auch wenn die EU massiv auf eine gleichgesinnte Minderheit in Lateinamerika setzt. Die Differenzen widerspiegelten sich auch in der Berichterstattung: Während in der deutschsprachigen Presse maßgeblich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Präsident des Gastgeberstaates Chile, Sebastián Piñera, zitiert wurden, kamen die Kritiker des neoliberalen Freihandels ebenso wenig vor wie eine Gegenkonferenz sozialer Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen.

Zum Abschluss des offiziellen Gipfels rief der deutlich neoliberal orientierte Piñera dazu auf, die "Kräfte zugunsten des Austausches beider Kontinente zu vereinen". Der chilenische Präsident prognostizierte zudem eine "neue strategische Allianz" zwischen Lateinamerika und der Europäischen Union. Zuvor hatten der konservative Politiker und Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrere Rohstoffabkommen unterzeichnet. Chile verfügt über große Kupfer- und Erzvorkommen.

Zu der politischen Realität in Lateinamerika und der Karibik gehört aber auch eine starke Ablehnung der Marktliberalisierung. Vor allem Staaten wie Argentinien und Bolivien haben aus den durch den Neoliberalismus verursachten sozialen Problemen gelernt und setzen auf eine stärkere Regulierung. Die EU setzt indes weiter auf die marktliberale Minderheit der sogenannten Pazifik-Allianz (Mexiko, Chile, Kolumbien, Peru).

Nach diplomatischen Quellen in Santiago gab es schon im Vorfeld Debatten, die sich auf dem Gipfel fortsetzten. Während die Mehrheit der CELAC-Staaten in der Gipfelerklärung einen Wandel in der Entwicklungszusammenarbeit, bei der Migrationspolitik und dem Klimaschutz festschreiben wollte, drängten die EU-Staaten fast geschlossen auf eine Öffnung der Märkte.

Das Protektionismus-Thema hatte die verantwortlichen EU-Arbeitsgruppen in internen Debatten seit Wochen beschäftigt. Während die Europäer bei marktprotektionistischen Maßnahmen auf die Zielsetzung des "gegenseitigen Abbaus" in der Abschlusserklärung bestanden, verwiesen lateinamerikanische und karibische Verhandlungsführer auf die wirtschaftliche Ungleichheit. "Die Anerkennung der Asymmetrien zwischen beiden Regionen war bis zuletzt Gegenstand harter Debatten", sagte ein europäischer Diplomat in der Nacht zum Sonntag gegenüber dem Lateinamerika-Portal amerika21.de.

In der Abschlusserklärung, die in den vergangenen Wochen und Monaten zwischen den Verhandlungsführern der EU, Lateinamerikas und der Karibik ausgehandelt wurde, sorgte vor allem die Haltung gegenüber der US-Blockade gegen Kuba für Diskussionsstoff. Dabei drängten die CELAC-Staaten bereits in der Einleitung des Handelsteils auf die Verurteilung "unilateraler Maßnahmen mit extraterritorialem Charakter". Im nächsten Satz verweisen die lateinamerikanischen und karibischen Staaten explizit auf das US-amerikanische Helms-Burton-Blockadegesetz gegen Kuba. Dem Dokument zufolge drängte die EU auf Streichung beider Sätze - ohne Erfolg jedoch. In dem Dokument wurde die Blockade gegen Kuba verteidigt.

Der lateinamerikanische Nachrichtensender Telesur sprach daraufhin von einem "Sieg" der linksgerichteten ALBA-Staatenallianz und verwies zudem darauf, dass das sozialistische Kuba von Chile die CELAC-Präsidentschaft übernommen hat.

Einer eigenen Agenda folgten die über 2.000 Teilnehmer eines Gegengipfels, der von rund 400 sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen ausgerichtet worden war. Die Aktivisten wiesen bei der Konferenz in der Architekturfakultät der Universität von Chile auf die Folgen der massiven Ausbeutung von Naturressourcen in Lateinamerika hin und forderten soziale Rechte ein. Bei dem Treffen war auch Boliviens Präsident Evo Morales zu Gast.