Wir werden verlieren, wenn wir uns an den karbonen Lebensstil klammern

Klimawandel ist ein soziales Problem. Die bisher rein naturwissenschaftlich- technische Betrachtung reicht nicht aus.

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Klimawandel wird ein soziales Thema, die bisher rein naturwissenschaftlich-technische Betrachtung reicht nicht aus. Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie fordert, die Sozialwissenschaftler in Deutschland sollten sich stärker mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Leggewie:

'Es wäre schön, wenn wir dies nicht nur in der Logik des Verzichts erkennen könnten, sondern wenn wir erkennen könnten, was wir verlieren durch die Aufrechterhaltung eines karbonen Lebensstils und des Sich-Klammerns an bestimmte Errungenschaften der Industriegesellschaft, der Arbeitsgesellschaft, die ja nicht in allen Hinsichten gelungen waren.'

Schließlich seien die Änderungen nicht nur menschengemacht sondern werden auch unser Leben in immer stärkerem Maße beeinflussen. Was bisher nur als kommende Naturkatastrophe thematisiert wird, werde über Zusammenhänge, wie etwa, dass viele Menschen wegen steigender Heizenergiepreise möglicherweise demnächst kaum noch warm leben und über warmes Wasser verfügen, von der drohenden Naturkatastrophe, auch bei uns, zu einer sozialen Frage.

Die zudem eine bestimmte soziale Selektivität hat: Die aktuelle Debatte um die Wiedereinführung der Pendlerpauschale beinhaltet schon heute die Frage ob die Gesellschaft weiterhin die bisherige energieintensive Mobilität aufrechterhalten kann und will. Sollte dies nicht gelingen ergeben sich auch hier Fragen die den Städtebau, die Lebensplanung und die Bevölkerungsentwicklung ganzer Regionen betreffen werden, die bisher über die große Mobilität an der Kaufkraft und Lebensstilen der Wirtschaftszentren teilhaben konnten. Leggewie prognostiziert, dass ein Wertewandel stattfinden wird, der neben Freiwilligkeit und Einsicht auch Zwangsmaßnehmen einschließt, um erforderliche Kurswechsel einzuleiten. Ein Beispiel ist Marburg, wo solarthermische Anlagen bereits per Baurecht verpflichtend sind und freiwillige Einsicht und Zwangsmaßnahmen so ineinandergreifen:

'Unsere Wissenschaften, die Sozial- und Kulturwissenschaften im Allgemeinen, hängen schon sehr stark an dem Paradigma der untergehenden Industriegesellschaften. Sie müssen sehen, dass sie auch Konzepte, Ansätze, Fragestellungen, Problemstellungen bereithalten ... Wir müssen eben, wie die Klimaforscher uns beigebracht haben ... auch das Undenkbare denken.'

Beispiel Berlin/Brandenburg: Pendlerströme sozialversicherungspflichtig Beschäftigter 2005