Sachverständigenrat für Umweltfragen rät "dringend" von der Laufzeitverlängerung für AKWs ab

Bundesregierung reißt wieder einmal die Notleine und legt die geplante Privatisierung der Atommüll-Endlager angeblich ad acta

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Es herrscht weiterhin Chaos in der schwarz-gelben Regierung. Zunächst hatte gestern das Bundesumweltministerium die durch die Süddeutsche Zeitung erneut bekannt gewordenen Pläne bestätigt, die Atommüll-Endlager privatisieren und damit das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) entmachten zu wollen. Doch dann wurde der Regierung das Thema wohl doch zu heiß. Es bleibe alles beim Alten, sagte laut Tagesschau Regierungssprecher Steffen Seibert schließlich, die Pläne seien im Laufe des Vormittags ad acta gelegt worden. Privatisierungen seien allerdings jetzt schon möglich, erfordern aber das Einverständnis des BfS.

Überlegungen, die Endlager zu privatisieren, waren bereits im Frühjahr bekannt geworden. Vermutet wurde, dass Umweltminister Röttgen das BfS kaltstellen wollte, nachdem sich dessen Präsident König dafür ausgesprochen hatte, neben Gorleben auch die Suche nach anderen Endlagerstätten in Betracht zu ziehen.

Röttgen bzw. die Bundesregierung - welche Rolle der Umweltminister überhaupt spielt, ist derzeit kaum auszumachen – haben sich auf das Endlager Gorleben praktisch festgelegt, was sich auch daran zeigt, dass Enteignungen beschleunigt werden sollen, um die so genannte "Erkundung" voranzutreiben. Diese beginnt am 1. Oktober, Atomkraftgegner reagierten damit, den 2. Oktober zum "Unruhetag" zu erklären.

Röttgen hatte bereits mit der Berufung von Gerald Hennenhöfer, einem früheren E.on-Manager, zum Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit dafür gesorgt, dass die Sicherheit wohl stärker als bisher den Interessen der Atomkonzerne angepasst wird. Die Entmachtung des BfS bzw. des störenden Präsidenten, der ein Parteimitglied der Grünen ist, könnte durchaus diesem Zweck dienen. Hennenhöfer soll auch der einzige Vertreter des Bundesumweltministeriums gewesen sein, der bei den nächtlichen Verhandlungen im Bundesfinanzministerium mit den Atomkonzernen zeitweise anwesend gewesen sein soll. Das Ergebnis der Verhandlungen war die Laufzeitverlängerung um durchschnittlich 12 Jahre, der Bundesumweltministerium spielte hier keine Rolle, weil es angeblich nur ums Geld ging, was wiederum deutlich macht, dass die Frage der Sicherheit nicht besonders hoch gehalten wird.

Kritik an der Atompolitik der Regierung kommt nun auch vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), dem wichtigsten Beratergremium der Regierung bei Umweltfragen. "Wir raten der Bundesregierung dringend davon ab, die Laufzeiten für Kernkraftwerke zu verlängern", sagte Prof. Dr. Martin Faulstich, Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU). "Längere Laufzeiten sind keine Brücke, sondern ein Investitionshindernis für die erneuerbaren Energien." Die Laufzeitverlängerung verstärke die Bedeutung der grundlastorientierten Kraftwerke. Dadurch wachse die Gefahr, "dass das EEG unter Druck gerät und sich die Bedingungen für erneuerbare Stromerzeugung verschlechtern".

Klar und unmissverständlich heißt es weiter: "Aus den von der Bundesregierung vorgelegten aktuellen Energieszenarien lassen sich keine wesentlichen volkswirtschaftlichen oder umweltpolitischen Vorteile einer Laufzeitverlängerung ableiten. Die Nachteile und Risiken einer Verlängerung sind jedoch gut belegt. Statt den gefundenen gesellschaftlichen Konsens zur Kernenergie aufzukündigen und neue Investitionsunsicherheit zu schaffen, sollte die Bundesregierung ihre Kräfte auf die zukunftsweisenden Elemente des Energiekonzeptes in den Bereichen Klimaschutz und Effizienz konzentrieren."