Irland hübscht sein Defizit massiv auf

Das Land weist 2011 erneut das höchste Defizit der EU aus und verstößt wie kein anderes Land gegen die Defizitziele

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der EU ist man weiter Nachsichtig mit Irland, obwohl die grüne Insel noch immer das höchste Haushaltsdefizit ausweist. Die europäische Statistikbehörde Eurostat gab das irische Defizit Ende 2011 mit 13,1% an. Es war also noch deutlich höher als das Griechenlands mit 9,1%. Dahinter lag das abstürzende Spanien mit 8,5%, weshalb dem Land mit der extremen Arbeitslosigkeit von mehr als 23% immer mehr Experten prognostizieren, demnächst wie Griechenland und Irland unter den Rettungsschirm gehen zu müssen. Auch um die Verschuldung Großbritanniens sieht es weiter schlecht aus, denn das Land weist noch immer ein Defizit von 8,3% aus.

Irland gibt allerdings sein Defizit nur mit 9,8% an. Doch dieses Ergebnis wurde von Eurostat nicht übernommen, weil Irland die Kosten für die Bankenrettung nicht dem Staat zurechnet. Real hat Irland, gerne als Musterschüler bezeichnet, wie kein anderes Land gegen die Defizitziele verstoßen, denn eigentlich hätte Irland das Defizit auf ohnehin noch sehr hohe 10% senken sollen. Trotz allem spricht niemand von Sanktionen oder von neuen Auflagen gegen Irland. Das hat ganz offensichtlich damit zu tun, dass weiter ein Teil des Defizits für die Bankenrettung ausgegeben wird.

Weil Irland fast seine gesamten abgestürzten Banken verstaatlicht hat, war das Defizit 2011 sogar auf 31,2% explodiert. Ein einmaliger und einsamer Rekord. Insgesamt hat das Land fast 64 Milliarden Euro in seinen Banken versenkt. So muss man sich eigentlich auch nicht wundern, wenn der irische Ministerpräsident Enda Kenny fordert, dass der neue dauerhafte Rettungsfonds ESM direkt abstürzende Banken finanzieren soll. In einem euro-rettungsfonds-irland-will-esm-fuer-banken-oeffnen/70026222.html: Gespräch mit der Financial Times Deutschland setzt sich Kenny deshalb schon für Veränderungen am ESM-Vertrag ein. Bisher hat den Vertrag und den Fiskalpakt aber nur Portugal raqtifiziert.

Beschwerden über die statistischen Tricks in Portugal gibt es bei Eurostat nicht. Das dritte Land, das schon Nothilfe erhalten hat, soll das Defizit sogar auf 4,2% gedrückt haben. Doch das gelang eben nur über den Griff in die Trickkiste. Die konservative Regierung hat zum Beispiel Milliarden aus Pensionskassen in den allgemeinen Haushalt überwiesen. Sonst, so hatte auch die Regierung geschätzt, hätte das Defizit etwa bei 8% und damit deutlich über den mit der Troika aus EU Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarten Zielen gelegen.

Dass in der EU mit zweierlei Maß gemessen wird, wird immer offensichtlicher. So lässt die Kommission die Tricks in Portugal genauso zu wie das sehr hohe Defizit in Irland. Spanien wurde für seine Defizit-Verstöße sogar noch belohnt und muss es 2012 nicht wie geplant auf 4,4%, sondern nur auf 5,3% abbauen. Dabei geht sogar der IWF nicht davon aus, dass das Land, das nun so richtig in die Rezession gespart wird, das Ziel erfüllen kann. Statt 2013 werde Spanien frühestens 2018 wieder die Stabilitätsmarke von 3% erfüllen, prognostiziert der IWF.

Das missliebige Ungarn hingegen soll als einziges Land bestraft werden, denn auch das Land hat mit ähnlichen Tricks wie Portugal das Defizit aufgehübscht. Doch auch ohne einmalige Buchungen liegt es deutlich unter dem Irlands, Griechenlands oder Spaniens. Irland liegt dagegen an dritter Stelle bei der Staatsverschuldung von 108,2% des jährlichen Bruttosozialprodukts (BIP) hinter Griechenland und Italien. Weil das Defizit deutlich höher als versprochen ausgefallen ist, wurde Portugal auf den vierten Rang verdrängt.

Allerdings zeigt sich auch an Portugal, wie absurd der straffe Sparkurs ist. Während sich das Land durch den Kurs und seine Tricks dem Defizitziel von 3% nähert, entfernt es sich mit riesigen Schritten vom zweiten Ziel, höchstens eine Staatsverschuldung von 60% des BIP auszuweisen. Lag die noch Ende 2011 bei 93,3%, ist sie nun wegen der starken Rezession auf 107,8% gesprungen. In Griechenland stieg sie sogar von 145% auf schon 165,3%, weil auch hier die Verschuldung weiter steigt und die Wirtschaftsleistung immer weiter schrumpft.