Biosprit: Treibhausgasminderung bloß ein schwerer Rechenfehler

EU zählt CO2-Einsparungen gleich doppelt

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Der wissenschaftliche Ausschuss der Europäischen Umweltagentur kritisiert in seiner aktuellen Studie die zur Zeit angewandten Bilanzierungsmethoden der EU für die Treibhausgasbilanz von Biosprit und bezeichnet sie als "schweren Rechenfehler". Für eine seriöse Treibhausgasbilanzierung dürfte nach Ansicht der Wissenschaftler nur angerechnet werden, wieviel an CO2 die sogenannten Energiepflanzen in ihrer Biomasse zusätzlich absorbieren, also nur der Anteil über die Menge hinaus, den die vorher dort wachsenden Felder, Wälder oder Grünland ohnehin banden. Stattdessen würden in der EU-Bilanzierungsmethode die CO2-Einsparungen durch Bindung als Biomasse doppelt angerechnet.

Das heißt, dass die Biospritproduktion zusätzlich zu den Umweltschäden vor Ort in Form von Monokulturen, Pestizideintrag, Eutrophierung, etc. gar keine Treibhausgasminderung beim Treibstoffverbrauch bewirkt. Im Gegenteil, die Herstellung von Biotreibstoff aus Raps, Soja, Zuckerrohr oder Palmöl führt zu mehr CO2-, CH4-, und N2O-Emissionen in der Atmosphäre als das Verbrennen von fossilem Treibstoff. Für Biodiesel liegen die Werte der CO2-Emission, selbst unter Vernachlässigung des vom wissenschaftliche Ausschuß offengelegten Rechenfehlers, bei plus 4,5 % bei Raps und 11,7 % bei Soja. Eigentlich wollte die EU den CO2-Ausstoß durch Einbinden der hochsubventionierten Agrarindustrie bis 2020 um 20 % senken. Biosprit sollte bis dahin 35 % weniger CO2-äquivalente Emissionen verursachen als Treibstoff ohne Beimischung - der E10-Weg erweist sich aber schon jetzt als gescheitert.

Bekannt wurde auch, dass die Schönrechnerei System hat. So sollten eigentlich schon ab 2010 die Effekte durch indirekte Landnutzungsänderung (Rodung z.B. neuer Waldflächen nach Verdrängung für den Energiepflanzenanbau) mit in die Bilanz einfließen. Damit die Bilanz aber nicht gleich zur E10-Einführung verheerend ausfällt verabredeten die EU-Kommissare für Energie und Klima, Günther Oettinger und Connie Hedegaard, dass diese Effekte erst "spätestens 2018" berücksichtigt werden sollen.

Der Vorsitzende des EU-Umweltausschusses Jo Leinen kommentiert die Rolle der Agrarlobby: "Die ist bei Oettinger wohl auf ein offenes Ohr gestoßen." Die Biospritindustrie bekommt so eine Schonfrist mit Lizenz zum Geldverdienen, in der die Anbauflächen weiter ausgedehnt werden, weiter Subsistenzlandwirte verdrängt werden und weltweit viel Schaden angerichtet wird. Anstatt bereits jetzt einen Schnitt zu setzen und klimapolitisch auf Energieeffizienz und Verbrauchsminderung im Verkehrssektor zu setzen.