Altes Feindbild USA

Mit der Entscheidung von US-Präsident Obama, vor einen Angriff auf Syrien die Zustimmung von Kongress und Repräsentantenhaus zu suchen, zeigt er, dass er eben nicht nur ein zweiter Bush ist

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In der letzten Woche hatten die Restbestände der deutschen Friedensbewegung ihr altes Feindbild USA wieder poliert. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis US-Präsident Obama einen begrenzten Militärangriff gegen Syrien anordnet. Prompt schienen alle diejenigen bestätigt, die in Obama nur eine Fortsetzung von Bush sahen.

Wie immer bei solchen Anlässen, kannte das US-Bashing keine Grenzen. Die Propheten des großen Blutbads und des sich ausbreitenden Flächenbrands im Nahen Osten waren wieder in ihrem Element. Merkwürdigerweise sahen sie diese schwarzen Visionen erst dann gegeben, wenn die USA und andere Nato-Mächte eingreifen. Dass der syrische Bürgerkrieg ein solches Blutbad schon längst produziert und dass er auch die Nachbarländer wie Libanon destabilisiert, wird dabei von denen gerne ausgeblendet, für die ein Konflikt erst dann zum großen Problem wird, wenn die USA eingreifen.

Sie können sich dabei auf den ehemaligen kubanischen Präsidenten Fidel Castro berufen, der sein Rentnerleben mit manchen scharfzüngigen Reflexionen auflockert. Seine Gedanken zum Syrienkonflikt gehören sicher nicht dazu. Dort wirft er den USA gleich vor, einen "Genozid an den arabischen Völkern" vorzubereiten, und beschwört die Gefahr der "Auslöschung der Menschheit". Diese Endzeitrhetorik gerade von Fidel Castro muss schon deshalb verwundert, weil er in den späten 1960er Jahren ein Kritiker der Sowjetnomenklatura gewesen ist, die immer häufiger von der drohenden Auslöschung alles Lebens durch die Atomrüstung und immer weniger von den elenden Lebensbedingungen vieler Menschen rund um die Welt sprachen.

Dass Castro Syrien "als das mutige Land im Herzen von mehr als einer Milliarde Moslems" bezeichnet, wo doch die syrische Regierung ihren Kampf gerade als Kreuzzug gegen den Islamismus bezeichnet und sich einige der moslemischen Nachbarländer aktiv an dessen Sturz beteiligen, wirft schon Fragen auf, ob Castro nicht tatsächlich seine Berater wechseln sollte. Bei einem Teil der Friedensbewegung in Deutschland sind solche Ungereimtheiten jedenfalls kein Anlass für Diskussion und Kritik, sondern eine durch einen prominenten Namen geeichte Bestätigung ihrer schon vorher gefassten Überzeugung, dass die USA auch unter Obama die Kriegspolitik von Bush fortsetzt.

Doch dann geriet die Kriegsmaschine ins Stocken. Erst verweigerte das britische Unterhaus den Kriegsplänen seines Premiers die Unterstützung, darunter zahlreiche Abgeordnete seiner eigenen konservativen Partei. Ob diese Entscheidung Präsident Obama zu der Überzeugung brachte, keinen Militärschlag gegen Syrien ohne Zustimmung von Repräsentantenhaus und Senat zu unternehmen, ist unklar. Jedenfalls hat Obama mit seiner Entscheidung alle unmittelbaren Kriegspläne vorerst gestoppt und auch die professionellen US-Basher waren erst einmal ratlos.

Nur manche Konservativen in den USA und Europa sparten nicht mit Kritik. Obama habe mit seiner Entscheidung ein wichtiges Königsrecht des Präsidenten aus der Hand gegeben, das Überraschungsmoment verpasst und dem syrischen Diktator eine Atempause vergönnt, lautet ihr Lamento. Diese Kritikpunkte sind schon deshalb absurd, weil von einem Überraschungsangriff so und so keine Rede sein konnte und Obama auch von Anfang an betonte, dass das Ziel eines Militärschlags eine Ausschaltung bestimmter Waffensysteme, aber nicht ein Sturz des Regimes sei. Wer es zudem für kritikwürdig befindet, dass über Frage eines Militärschlags Parlamente entscheiden sollen, muss Nähe zu diktatorischen Vorstellungen bescheinigt werden.

Bruch mit der Bush-Ära

Es gehörte immer zu den Forderungen demokratischer Bewegungen, die Frage von Krieg und Frieden nicht den Beraterstäben von Präsidenten zu überlassen, sondern sie parlamentarischer Diskussion und Kontrolle zu unterziehen. Insofern ist Obamas Entscheidung mehr als nur ein taktischer Schritt, sie stellt hingegen einen Bruch mit autoritären Vorstellungen aus der Ära Bush da, in der parlamentarische Gremien immer mehr ausgehöhlt wurden und zentrale Fragen wie Krieg und Frieden, aber auch der Umgang mit zu Staatsfeinden erklärten Gefangenen fast jeder Kontrolle entzogen worden waren. Die NSA-Affäre ist eine direkte Folge dieses Politikstils. Es stellt sich die Frage, ob Obamas Entscheidung auch mit der weltweiten Kritik an der Überwachung zusammenhängt.

Für Kriegsgegner ist es allerdings kein wirklicher Erfolg, wenn der Militäreinsatz nun parlamentarisch legitimiert wird. Sie müssen aber die Veränderungen, die die Obama-Administration mit ihrem veränderten Regierungsstil zeigt, zunächst einmal wahrnehmen und ihre Argumente daraufhin überprüfen. Auch die Berufung auf syrische Stimmen für oder gegen einen Militäreinsatz ist dabei wenig hilfreich. Denn es gibt auch Regierungsgegner, die sich strikt gegen jeden Angriff von außen aussprechen. Andere erhoffen sich durch die Zerstörung einiger Waffensysteme eine Entlastung von den täglichen Bombardements oder sind mit punktuellen Bombardements nicht zufrieden, sondern fordern gleich Sturz des Regimes.

Liefert BND wieder einmal den Smoking Gun?

Im Vorfeld der Abstimmung von Kongress und Abgeordnetenhaus wird die Frage, wer für den Giftgaseinsatz verantwortlich ist, der den Anlass für den geplanten Militärschlag bildet, eine große Relevanz bekommen. Schon gibt es unterschiedliche Quellen, die die syrischen Oppositionellen oder das Regime verantwortlich machen. So wurde behauptet, Oppositionelle hätten aus Versehen das Giftgas freigesetzt.

Die Glaubwürdigkeit dieser Informationen sollte ebenso kritisch hinterfragt werden wie Meldungen, der BND habe ein Telefongespräch abgehört, in dem ein hochrangiger Hisbollah-Verantwortlicher in einem Telefongespräch mit der iranischen Botschaft zugegeben, dass der syrische Präsident die Nerven verloren und den Giftgaseinsatz angeordnet habe ( Auch der BND sieht im Assad-Regime den Schuldigen für die Giftgasangriffe). Bemerkenswert, dass der Spiegel in seinen Bericht solche Meldungen nicht kritisch hinterfragt, sondern so präsentiert, als wären sie Tatsachen. "BND fängt Beleg für Giftgaseinsatz durch Assad-Regime ab", heißt es dort.

Kein Gedanke wird dabei an die Rolle verschwendet, die der BND im Vorfeld des Irakkrieges bei der Legitimierung für den Angriff spielte. Ein Exiliraker erzählte dem BND die Story von den Massenvernichtungswaffen im Irak, die sich später als falsch herausstellte ( Let's play Curveball). Eine Antikriegsbewegung zumal in Deutschland hätte also tatsächlich viele kritische Fragen an die eigenen Dienste zu richten.