Bombenanschläge auf Justizpalast, Flughafen und Zeitungsredaktion

Luxemburger Bommeleeër-Prozess geht in die Verlängerung

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Der gestrige 40. Prozesstag in Luxemburg über die mysteriöse Bombenserie von 1984 bis 1986 war ursprünglich als der letzte konzipiert worden. Doch das Strafverfahren gegen zwei beschuldigte Polizisten wird noch bis mindestens 11. Juli um 24 Prozesstage verlängert. Es ist mit prominenten Personen des Großherzogtums im Zeugenstand zu rechnen, wobei es nicht ausgeschlossen ist, dass diese langfristig sogar statt der Polizisten auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Während Anfang der Woche die scheinbar erpresserischen Anschläge auf den Energieversorger und Telekommunikationseinrichtungen untersucht wurden, ging es nun um solche, die sich wie Einschüchterungsversuche von Presse und Justiz darstellen.

Wie bereits bei den anderen Attentaten wurde auch bei der Platzierung der Bombe an einer Balustrade des unbewachten Justizpalastes Insiderwissen ruchbar. Das BKA attestierte dem Bombenleger, der über eine Mauer in den Hinterhof geklettert war, gute Ortskenntnisse, da der Sprengkörper offenbar bewusst vor der Hauswand platziert worden war, um durch die Druckwelle einen möglichst großen Schaden zu erzielen. Das Gebäude stand auf einer Liste von 28 als gefährdet eingestuften Objekten.

Was das BKA nicht wusste: Die Explosion zerstörte vor allem das Büro eines Untersuchungsrichters, der den vormaligen Leiter der Spezialeinheit Brigade Mobile, Ben Geiben, in Verdacht und gerade ein Rechtshilfeersuchen an die belgischen Behörden gestellt hatte. Der Ex-Polizist, der gerade wieder im Lande war, wurde an diesem Tag vom Geheimdienst SREL observiert, jedoch hatten die Schnüffler den „Super-Flic“ aus den Augen verloren. Geiben hatte seine glänzende Karriere aus damals unbekannten Gründen abrupt beendet, weil er eine Beziehung mit seinem minderjährigen Schwager eingegangen war, die bis heute anhält. Im sehr katholischen Großherzogtum Luxemburg, wo Geiben insbesondere wegen der damaligen Minderjährigkeit des Partners strafrechtliche Konsequenzen riskierte, dürfte das Aufgeben des Polizeidienstes unausweichlich gewesen sein. An einer Behinderung der Justiz in dieser Angelegenheit dürften allerdings auch viele andere ein Interesse gehabt haben. So manchen Schlapphut plagten Erinnerungslücken, dass und warum Geiben überhaupt beschattet worden war. Angefertigte Phantombilder etwa der Person, die Schmiere stand, wurden erstaunlicherweise nur intern genutzt.

Wie gerufen kam das Attentat am Flughafen Findel, über dessen geringe Sicherheit, für die Geiben zuständig gewesen war, sich u.a. die NATO beklagt hatte. So gab es dort keine Alarmanlagen, nur ein einziger Flic schob Wache und war gerade mit dem Abfertigen des letzten Flugs beschäftigt. Die Täter dürften von den Zeitpunkten für Kontrollgänge gewusst haben. Auf dem Gelände wurden zwei 1,5 km entfernte Steuerelemente zeitgleich gesprengt. Das BKA wies darauf hin, dass Außenstehende von der Sensibilität der Computereinrichtungen kaum gewusst haben konnten. Der für seine US-kritische Haltung bekannte Strafverteidiger Dr. Gaston Vogel äußerte sich erstaunt darüber, dass die US-Amerikaner vom Stützpunkt Spangdahlem so schnell über den Anschlag informiert gewesen seien. Die Täter wiederum scheinen sich ihrer Sache sehr sicher gewesen zu sein, denn die Zündschnüre gaben zur Flucht nur einen Vorsprung von 10 Minuten. Die offenbar generalstabsmäßige Planung der zeitgleichen Sprengungen, die während einer Überwachungslücke gezielt platziert wurden, erinnert an militärisches Vorgehen.

Eine Dritte Explosion auf dem Flughafen resultierte aus einer halbherzig bestückten, dafür umso perfideren Sprengfalle. So war in eine Taschenlampe ein Quecksilberschalter eingebaut worden, der beim Aufheben durch einen Flughafenangestellten eine Zündkapsel zur Explosion brachte. Zwar wurde der Mann dabei schwer an der Hand verletzt, eine ernsthafte Falle wäre jedoch mit Sprengstoff bestückt worden.

Am ersten Tag des Gipfels der EG-Minister am 30.11.1985 wurde sogar am helllichten Tag wieder ein Strommast mit vier Sprengsätzen angegriffen, von denen jedoch die Hälfte nicht explodierte. Die Unbekannten agierten zu einem Zeitpunkt, der vor dem offiziellen Beginn des Treffens lag. Eine mögliche Erklärung vermutet das Luxemburger Wort darin, dass die Täter aufgrund einer denkbaren Tätigkeit bei den insgesamt 74 eingesetzten Ordnungskräften anderweitig beschäftigt gewesen sein könnten. Am 02.12.1985 wurde dann das Treffen selbst Anschlagsziel, als von der Autobahn her ein Sprengsatz geworfen wurde.

Die nächste Bombe traf im Januar ein Auto eines zuvor wegen krummer Geschäfte verurteilten Notars, der mit seinem Strafmaß glimpflich davongekommen war. Kommende Woche dürfte der Anschlag auf die Redaktionsräume des "Luxemburger Wort" behandelt werden.