Immer neue Negativrekorde in Spanien

Die Arbeitslosigkeit stieg auf einen neuen Rekord in einem Land, dessen Regierung unter massiven Schmiergeldvorwürfen steht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Während sich der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy am Montag auf dem Weg zu den deutsch-spanischen Regierungskonsultationen in Berlin befand, wurden in Madrid neue Arbeitsmarktzahlen veröffentlicht. Die kommen zur Unzeit für eine Regierung, die unter massiven Korruptionsvorwürfen steht. Am Sonntag haben auch die Sozialisten (PSOE) seinen Rücktritt gefordert, weil sogar Rajoy vom Ex-Schatzmeister seiner Volkspartei (PP) über Jahre Schwarzgeld erhalten in Bar haben soll. Rajoy sei in der Wirtschaftskrise zur "zusätzlichen Belastung" geworden, sagte der Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba. Zuvor hatte Rajoy schlicht allgemein alle Vorwürfe dementiert, doch die werden immer detaillierter.

Während fast die gesamte Parteispitze viel Geld von einem Schweizer Konto erhalten haben soll, verlieren die Menschen im Land jede Hoffnung. Nach Angaben des Arbeitsministeriums ist die Zahl gemeldeter Arbeitslosen im Januar um mehr als 130.000 Menschen gestiegen. Mit knapp fünf Millionen Arbeitslosen wurde ein neuer Rekordwert registriert. Die Sozialversicherung hat sogar 263.000 Beitragszahler verloren, also haben viel mehr Menschen ihre Job verloren haben. Immer mehr Spanier melden sich nicht mehr arbeitslos, weil sie keine Leistungen mehr erhalten. Dass die Regierung positiv herausstreicht, der Anstieg sei im Jahresvergleich erneut geringer ausgefallen, ist für Gewerkschaften und Opposition "Schönfärberei".

Das Statistikamt (INE) hatte ohnehin schon zum Jahresende 5,97 Millionen Arbeitslose ermittelt, weshalb es nun über sechs Millionen sind. () Die europäische Statistikbehörde Eurostat gab die Quote auf zum Jahreswechsel schon mit 26,1% an und fatal ist, dass schon 56% aller jungen Menschen keinen Job haben und keine Zukunft sehen. Nur in Griechenland ist die Lage noch schlechter - und Besserung ist nicht in Sicht. Mit dem harten Sparkurs gehen immer neue Stellen verloren.

Deshalb appellierte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in einem Gastbeitrag für eine Beilage der Zeitung El País erneut, die "Besessenheit" aufzugeben, das Haushaltsdefizit reduzieren zu wollen. Die Bekämpfung "der inakzeptabel hohen Arbeitslosigkeit" sollte statt Austerität ins Zentrum rücken.

Rajoy will Konjunkturprogramm mit Geld aus der EU

Weil in der Rezession mit der Arbeitslosigkeit auch Sozialkosten steigen, die Steuereinnahmen aber in den Krisenländern einbrechen, verfehlte Spanien 2012 erneut das mit der EU-Kommission vereinbarte Defizitziel. Deshalb will Rajoy nun ein Konjunkturprogramm auflegen. Er machte vor der Abreise nach Berlin klar, dass das Geld dafür aus Europa kommen soll. Mit solchen Forderungen geriet er kürzlich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Gipfel der EU mit Staaten aus Lateinamerika und der Karibik aneinander. Denn er wies vor allem Deutschland die Geberrolle zu. In Chile sagte er, Spanien sei nicht in der Lage, eine expansive Wirtschaftspolitik zu führen. "Die Länder, die es können, sollten es tun", forderte er höhere Ausgaben von Deutschland. Merkel lehnte kühl ab und sagte, Deutschland habe seinen Beitrag schon geleistet.

Die Lage für Rajoy hat sich gegenüber Merkel und vor dem Haushaltsgipfel am Donnerstag angesichts massiver Korruptionsvorwürfe weiter verschlechtert. Dabei wird erneut über die mittelfristige Finanzplanung der EU zwischen 2014 und 2020 verhandelt. Rajoy verteidigt das bisherige Budget, während andere EU-Länder Einsparungen fordern, weil sie ihre Haushalte zusammenstreichen müssen. Weil Spanien weiter großer Nettoempfänger ist, steht besonders viel Geld auf dem Spiel. Der Kompromissvorschlag, den Ratspräsident Herman Van Rompuy bei den gescheiterten Verhandlungen im vergangenen November vorgelegt hat, sah etwa 20 Milliarden Euro weniger für Spanien vor.

Extreme Energieabhängigkeit im sonnenreichen Land

Dabei leidet das Land unter enorm steigenden Ausgaben. Die Kosten für den Schuldendienst explodieren. Immer teurer zu stehen kommt Spanien seine extreme Energieabhängigkeit. Die Ausgaben für Gas und Öl sind in einem Jahr um 13% gestiegen. Rechnet man die Exporte von den Importen ab, hat sich das Energiedefizit um sechs Milliarden Euro auf fast 46 Milliarden erhöht. Für einen Teil sind steigende Preise verantwortlich. Spanien traf aber auch der Iran-Boykott , weil es von dort gut 15% des Öls erhielt und neue teurere Verträge abschließen musste. Dass der konservative Rajoy die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen auf 110 Stundenkilometer, eingeführt von den sozialistischen Vorgängern, wieder aufhob, erhöhte die Energierechnung zusätzlich.

EU‑Energiekommissar Günther Oettinger hatte im vergangenen Jahr in einem Strategiepapier auch analysiert, es sei für Länder wie Spanien "billiger in erneuerbare Energien zu investieren, als Energie zu importieren". Doch deren Ausbau wurde genauso gestoppt wie Maßnahmen zur Förderung von Energieeffizienz. Das sind Bereiche, die nicht nur nach Ansicht von Oettinger dem Land aus der Krise helfen könnten. Sie würden nicht nur mittel- und langfristig die Energierechnung senken, sondern auch "zehntausende Arbeitsplätze" schaffen, meint der Greenpeace-Sprecher Mario Rodríguez. Die sieht er vor allem im Bereich erneuerbarer Energien, Energieeffizienz, Ausbau des öffentlichen Transports, ökologischem Landbau und Waldmanagement. "Doch sie wollen nicht", beklagt sich Rodríguez über die Politik der konservativen Regierung.