Sigmar Gabriel: "Das ist brutaler Lobbyismus"

Schwarz-gelbe Regierung erwägt maximale Laufzeitverlängerung der AKWs auf 60 Jahre

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Die schwarz-gelbe Regierungskoalition scheint nun, was sich schon länger angedeutet hat, voll auf Atomenergie setzen und möglichst maximale Laufzeiten umsetzen zu wollen. Der Kniefall vor den großen Energiekonzernen geschieht allerdings wohl gegen den Rat des CDU-Umweltministers Röttgen, obgleich der möglicherweise nur vorgeschossen war, um mögliche schwarz-grüne Annäherungen in Nordrhein-Westfalen zu erleichtern, die mittlerweile aber gestorben sind.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will die Koalition prüfen lassen, ob die Laufzeit der teils von zahlreichen Pannen geplagten alten deutschen AKWs auf 60 Jahre verlängert werden können. Damit würde eine Umstellung auf Erneuerbare Energien schwer behindert werden und dieser zukunftsweisende Markt, der selbst noch in der Krise wuchs und neue Arbeitsplätze geschaffen hat, dem Profitinteresse der Konzerne geopfert. Die "Brückentechnologie" wird dann zur Sackgasse. 2050 würde dann womöglich erst der letzte der Reaktoren abgeschaltet. Berechnet sollen Szenarien für eine Verlängerung der Laufzeit um 4, 12, 20 und 28 Jahre, so die SZ.

Die Industrie freut die energiepolitische Wende nach rückwärts. "Längere Laufzeiten von insgesamt 60 Jahren werden die Strompreise stark dämpfen", sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Werner Schnappauf. Darauf wird man wohl kaum hoffen dürfen, sicher sprudeln jedenfalls die Gewinne der großen Konzerne und verhindern auch so mehr Wettbewerb, den doch eigentlich Union und FDP so schätzen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisiert im Deutschlandfunk die Pläne heftig und weist zurecht darauf hin, dass noch nicht einmal die Endlagerfrage gelöst ist: "Die müssen wirklich von allen guten Geistern verlassen sein. Wie man Reaktoren wie Biblis oder Krümmel oder Brunsbüttel, wo wir ständig Ärger hatten in den letzten Jahren, die immer wieder zu Schwierigkeiten geführt haben, 60 Jahre laufen lassen kann, das erschließt sich mir nun wirklich nicht. Das ist brutaler Lobbyismus. Die Bundesregierung hat ja in den letzten Monaten häufiger mal den Eindruck gemacht, dass sie der Klientel hinterherläuft. Das ist nun das Schlimmste, was wir bisher hatten. Ich kann nur hoffen, dass die sich eines besseren besinnen, denn das ist unverantwortlich, mal abgesehen davon, dass wir natürlich unendlich viel mehr Atommüll produzieren, von dem wir bis heute nicht wissen, wo er hin soll."