Berliner CDU-Senatoren "erwägen" Eigenbedarfsgrenze für Cannabis abzusenken

Statt ab 15 könnte die regelmäßige Strafverfolgung zukünftig schon ab sechs Gramm einsetzen

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Seit einem Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 1994 hat für den Besitz von Cannabis der Begriff der "geringen Menge" verstärkte rechtliche Relevanz. Findet die Polizei bei jemanden eine Marihuanamenge, die unter einem (von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen) Richtwert liegt, kann der Besitzer damit rechnen, dass man ihn nicht weiter verfolgt – es sei denn, er wird mehrmals erwischt. Das hat nicht nur für Konsumenten Vorteile, sondern auch für Polizei und Justiz, die ihre Ressourcen auf schädlichere Straftaten konzentrieren können.

In Berlin liegt der im Volksmund "Eigenbedarfsgrenze" genannte Richtwert bislang bei 15 Gramm. Nun gaben die CDU-Senatoren Frank Henkel (Inneres und Sport), Mario Czaja (Gesundheit und Soziales) und Thomas Heilmann (Justiz und Verbraucherschutz) bekannt, dass sie "erwägen", diese Grenze auf sechs Gramm abzusenken. Zur Begründung heißt es dazu in einem Schreiben an die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus, dass die Eigenbedarfsgrenze in den meisten anderen Bundesländern ebenfalls bei sechs Gramm liege und die Justizministerkonferenz vor fünf Jahren eine Vereinheitlichung beschlossen habe, was auch das Bundesverfassungsgericht und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger befürworten würden.

Weil eine Absenkung in Form einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift geschehen würde, wären die drei CDU-Minister nicht auf die Zustimmung des Abgeordnetenhauses angewiesen, wo ihre Partei nur zusammen mit der SPD eine Mehrheit hat. Dort steht man einer Absenkung auf sechs Gramm skeptisch gegenüber: Dem Berliner SPD-Gesundheitsexperten Thomas Isenberg zufolge hat sich die bisherige Regelung so gut bewährt, dass Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ihre Eigenbedarfsgrenzen von sechs auf 10 Gramm anhoben. Tatsächlich würde sich die Verfahrensdauer bei die Berliner Justiz im Falle einer Senkung der Grenze deutlich erhöhen, weil jedes Jahr fast 5.000 Fälle dazukämen. Und eine längere Verfahrensdauer führt dazu, dass Gewalttäter länger straffrei herumlaufen und die Abschreckungswirkung von Strafen sinkt.

Allerdings betont man bei der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz Telepolis gegenüber, dass sich die Minister noch gar nicht für eine Absenkung entschieden hätten und "erwägen" im Sinne von "prüfen" zu lesen sei. Zur Entscheidungsfindung haben Henkel, Czaja und Heilmann für Dienstag eine "ergebnisoffene Expertenanhörung" am Berliner Kammergericht anberaumt. Dabei soll es unter anderem um die Frage der Rechtseinheitlichkeit und "mögliche gesundheits- und sozialschädliche Wirkungen von Cannabis bei Jugendlichen" gehen. Dazu dürfen sich neben Vertretern der Staatsanwaltschaft und der Polizei auch die Drogenbeauftragte sowie Therapeuten und ein Sprecher des Deutschen Hanfverbandes äußern.