Bahrain und die Angst vor Iran

Mit der Freilassung von politischen Gefangenen macht die Regierung einen ersten Schritt auf die Opposition zu

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In Bahrain haben die Behörden 23 Schiiten, die politisch engagiert waren und wegen Verdacht auf terroristische Aktivitäten festgenommen worden waren, freigelassen, nachdem sie von König Hamad Bin Issa al-Khalifa begnadigt wurden. Die Anklagen gegen die jetzt Freigelassenen lauteten westlichen Presseberichten gemäß auf "Bildung einer illegalen Organisation, Unterstützung und Finanzierung von Terrorismus und das Verbreiten von irreführender und falscher Information". Unter diesen 23 Freigelassenen befindet sich auch der Blogger Ali Abduleman, der Gründer von bahrainonline.org. Laut Reuters hat er sich sofort der Protestmenge auf dem Perlenplatz in Manama angeschlossen.

Nach Informationen des Innenministeriums wurden insgesamt sogar 308 Gefangene auf Anweisungen des Königs freigelassen. Wie die für Informationspolitik zuständige Behörde, die Bahrain's Information Affairs Authority (IAA) auf ihrem Twitterkanal meldet, hat die Regierung versprochen, den Misshandlungs-Vorwürfen, die von Seiten der Gefangenen laut wurden, sorgfältig nachzugehen.

Es dürfte einiges davon abhängen, wie diese Angelegenheit behandelt wird. Zum Beispiel der viel beschworene Dialog zwischen Führung und Opponenten, die sich am Dienstag erneut in großer Menge versammelt hatten. Die New York Times spricht vorsichtig von einigen Zehntausend, anderorts werden weitaus höhere Zahlen genannt. Ähnliches gilt für die Gegenveranstaltung von Anhängern des Königshauses, die in und um die Al-Fateh-Moschee herum stattfand. Wer die meisten Anhänger hat, ist nun auch in Bahrain, wo man so gerne die Harmonie betonen will - was seit vergangenem Freitag einen tiefen Riss erfahren hat -, Streitthema.

Die Konflikte in Bahrain kann man, wie von Landeskennern erläutert wird, nicht ohne weiteres mit Protesten in anderen arabischen Ländern auf einen Nenner bringen. Weil König Hamad, anders als Ben Ali, Mubarak oder Gaddafi, keine verhasster Autokrat ist und weil die Opposition maßgeblich von schiitischer Seite getragen wird - was zu ganz anderen Ängsten als in Ägypten oder Tunesien führt. Nämlich der Angst vor einem iranischen Herrschaftssystem. Tatsächlich zeigen Fotos von Demonstranten viele Fahnen mit Khomeini oder dem irakischen Ayatollah Ali Sistani.

Dies gleichzusetzen mit dem Wunsch nach einem Umsturz à la 1979 ist allerdings politisch manipulativ. Die Angst davor, dass die bahrainischen Schiiten eine khomeinische Revolution anstreben könnten - und sich irgendwie dem Iran mehr verbunden fühlen als Bahrain (solches wurde auch über irakischen Schiiten gesagt) - liefert Möglichkeiten, die Opposition als unpatriotisch darzustellen und als fremdgesteuert von Iran. Ein Schreckensgespenst mit dem man ähnlich vorgehen kann wie Mubarak und Ben Ali mit der Angst vor Islamisten. Mit der Angst vor Iran waren Wünsche und Forderungen der schiitischen Opposition in der öffentlichen Darstellung leicht zu manipulieren. Laut einem Bericht der New York Times wurde diese Politik von den USA beträchtlich unterstützt.

Jedoch hat das brutale Vorgehen der Polizeikräfte in der vergangenen Woche viele Bahrainis in ihrem Vertrauen zur Regierung desillusioniert und dem Image der bahrainischen Herrscherfamilie al-Khalifa tiefe Kratzer zugefügt. Die autoritäre Reaktion der Machthaber auf die Proteste hat aber anscheinend auch zu einer Verbundenheit zwischen Sunniten und Schiiten auf der Oppositionsseite beigetragen, soweit dies aus Twittermeldungen und Blogs ersichtlich ist.

Man darf gespannt sein, wie das Königshaus versuchen wird, den Dialog mit der gewachsenen Opposition wieder aufzunehmen. Die Diskussion über den Umgang mit den Gefangenen wäre ein Schritt in eine neue Richtung.

Gestern besuchte der König seinem saudischen Herrscher-Kollegen Abdullah. Dort durfte er Lektionen im Umgang mit Untertanen aus der alten Herrscherschule beiwohnen. Abdullah setzt, um Protesten vorzubeugen, auf bewährte Rezepte - Geldzuweisungen: 10,7 Milliarden Dollar will König Abdullah für Erziehung (Ausbildung) und soziale Wohlfahrt lockermachen.