Shitstorms ab 4.999 Euro

Eine Guerilla-Marketing-Agentur verspricht anonymen Auftraggebern negative Kommentare auf Facebook-Fanseiten von Unternehmen

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Oliver Bienkowski trat bis 2005 als IT-Sicherheitsexperte auf. Heute ist er Aktionskünstler und Geschäftsführer der Caveman Guerilla Marketing GmbH. Die wirbt auf ihrer Website damit, dass man bei ihr Shitstorm-Pakete kaufen könne: Für 4.999 Euro verspricht man einem "garantiert anonymen" Auftraggeber auf Facebook-Fanseiten 100 Kommentare in deutscher Sprache und 150 Likes von deutschen Profilen, für 9.999 Euro 500 Kommentare und 300 Likes, für 49.999 Euro 3.000 Kommentare und 1.500 Likes und für 199.999 15.000 Kommentare und 5.000 Likes.

Die gekauften Kommentare bringen der Caveman-Werbung nach auch andere Menschen zum Kommentieren "und alles nimmt seinen Social Media Weg", der letztendlich in Aufmerksamkeit bei traditionellen Medien münden kann. "Parallel zum Shitstorm" empfiehlt die Agentur die Produktion eines viralen Videos: Denn wenn "Bilder gegen Wörter" anträten, dann würden stets Erstere gewinnen. Allerdings verstehe man sich als "Sprachrohr des Unrechts" [sic] und nehme nur Aufträge an, die den "moralischen Richtlinien" des Unternehmens entsprechen, weshalb ein zur Skandalisierung genutzter Vorfall "nie aus der Luft gegriffen sein" dürfe.

Auf die Frage von Telepolis, ob dieses Shitstorm-Angebot ein Gag wie die auf Negativ-PR spezialisierte Gatingagentur oder ernst gemeint ist, antwortet Bienkowski, es sei ihm durch seine Kontakte zur IT-Securitybranche ein Leichtes, solche Angebote umzusetzen. Die Möglichkeit, dass eine Guerilla-Agentur Shitstorms für betroffene Kunden in ihrer öffentlichen Bedeutung entwertet, indem Sie ihre Kaufbarkeit behauptet, will Bienkowski nicht kommentieren und verweist auf "andere Spezialisten", die sich dazu "sicher besser" äußern könnten.

Dazu, ob es schon Kunden gab, die eines der Shitstorm-Pakete (oder einen der ebenfalls angebotenen Candystorms) gekauft haben, möchte der Neusser nichts sagen und verweist auf Geheimhaltungsvereinbarungen. Im Heiseforum ist man angeblich nicht aktiv und alle Aktivitäten auf VKontakte, Facebook und Twitter sind dem Caveman-Geschäftsführer nach "losgelöst von privaten Profilen oder Unternehmensfanseiten". Ob ein Shitstorm seiner Agentur eher automatisiert und mit Script-Lösungen oder eher händisch [und] von realen Menschen angeschoben wird, hängt seinen Angaben nach vom Zweck des Auftrags ab. Das Gewinnen von Mitarbeitern für solche Dienstleistungen, für welche der Endkunde stets schriftlich die Verantwortung übernehmen müsse, sei für ihn in jedem Fall kein Problem.

[Update:] Bienkowski hat seine Meinung mitlerweile geändert und behauptet, die Aktion sei doch eine Satire gewesen, um Aufmerksamkeit für Obdachlose zu erregen. Die allerdings hatte er erst später gegenüber der Süddeutschen Zeitung als angebliche Mitarbeiter ins Spiel gebracht.