Grundwasser in Fukushima extrem verstrahlt

Inzwischen hat sich die hohe Strahlenbelastung sowohl im Meer- und im Grundwasser bestätigt, die Regierung weigert sich, weiter zu evakuieren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Wieder einmal hatte die Betreiberfirma des havarierten Atomkraftwerks Fukushima Probleme bei den Messungen der radioaktiven Verseuchung. Zunächst hatte Tepco gemeldet, dass der Grenzwert im Grundwasser am havarierten Atomkraftwerk für Jod-131 schon 10.000-fach überschritten sei. Wie nach der Meldung am letzten Sonntag, dass im Wasser, das aus dem Reaktor ausgetretenem war, eine "zehnmillionenfach erhöhte Strahlung" gemessen worden sei, wurde auch diese Meldung zunächst wieder zurückgezogen. Doch auf Anordnung der Atomsicherheitsbehörde (NISA) musste die Messung wiederholt werden. Inzwischen wurde der sehr bedenkliche Wert bestätigt. Für die Fehler macht Tepco ein Analyseprogramm verantwortlich.

Die Kontaminierung des Grundwassers geht einher mit der steigenden Verstrahlung des Meeres. Lag die Verstrahlung am Mittwoch 3555-fach über der radioaktiven Höchstgrenze, so stieg sie am Donnerstag auf die 4385-fache Konzentration über den Grenzwert an. Auch wenn inzwischen sogar das Grundwasser verseucht ist, halten die japanischen Behörden an ihrer zweifelhaften Sprachregelung fest. Sie sprechen von einer "besorgniserregenden" Situation, die aber nicht gesundheitsgefährdend sei. Dabei zeigt die steigende Strahlenbelastung an den Reaktoren, dass immer mehr Radioaktivität aus den wohl beschädigten Sicherheitsbehältern austritt. Eine Kernschmelze hatte inzwischen sogar die japanische Regierung eingeräumt.

Doch es reißen immer mehr Widersprüche auf. Nachdem die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Mittwoch eine weitere Evakuierung gefordert hatte, weil die Strahlenwerte in dem Dorf Iitate so hoch seien, sehen die japanischen Behörden weiterhin keine Notwendigkeit für diesen Schritt. Dabei nehmen die Menschen in der Kleinstadt, die 40 Kilometer entfernt von den Reaktoren liegt, die zulässige radioaktive Belastung von 1000 µSv im Jahr in nur wenigen Tagen auf.

Entsprechende Messungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace wurden inzwischen offiziell bestätigt. Mit der Weigerung, die Evakuierungszone auszuweiten, wie es nun auch in Japan viele Organisationen fordern, soll offensichtlich eine Panik verhindert werden. Vor allem die Menschen im Großraum Tokio sollen offenbar in einer trügerischen Ruhe gehalten werden. Doch aller Voraussicht nach wird in den nächsten Tagen der Wind drehen und die radioaktiven Partikel auf das Land in Richtung Tokio transportieren.

Inzwischen at Tepco mit Versuchen mit künstlichem Harz begonnen. 400 Liter wurden in der Nähe des Reaktors 4 versprüht, um zu testen, ob sich damit der Staub binden lässt, so dass weniger radioaktiv belastete Teilchen in die Luft gelangen. Die Tests sollen erst einmal zwei Wochen laufen. Probleme macht vor allem das mit 1300 verbrauchten Brennstäben gefüllte Abklingbecken. Nach einem Experten geben diese mehr Hitze ab, als in den Reaktoren 2 und 3 zusammen entsteht. Täglich müssten zur Kühlung mindestens 90 Tonnen Wasser in das Becken gepumpt werden.

Eine schlechte Nachricht musste am Donnerstag Tepco auch in der Form hinnehmen, dass die Ratingagentur Moody's mit einem möglichen Ausfall des Konzerns rechnet, dessen Verstaatlichung zu erwarten ist. Die Kreditwürdigkeit des Fukushima-Betreibers wurde gleich um drei Stufen von A1 auf Baa1 heruntergestuft. Begründet wird die erneute Abstufung mit möglichen Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe, die der extrem verschuldete Konzern kaum schultern kann. Die Bank of America Merrill Lynch hat errechnet, dass auf Tepco Forderungen in der Höhe von 120 Milliarden Dollar zukommen dürften.

Dramatisch muss die Lage für Arbeiter im Atomkraftwerk sein. Die Mutter eines 32jährigen Arbeiters wird zitiert, der mit seinen Kollegen verzweifelt versucht, die Reaktoren zu kühlen. Sie würden davon ausgehen, entweder kurzfristig an der Strahlenkrankheit oder langfristig an Krebs sterben werden, erklärte die Frau in einem Interview, die anonym bleiben wollte. "He told me they have accepted they will all probably die from radiation sickness in the short term or cancer in the long-term." Inzwischen wurde auch schon aus verschieden Emails der Arbeiter zitiert. Sie berichten davon, am Ende ihrer Kräfte zu sein. In einer Email heißt es: "Weinen ist unnütz. Wenn wir jetzt in der Hölle sind, bleibt uns nichts anderes übrig, als in Richtung Himmel zu kriechen. Bitte, seht Euch vor der verborgenen Kraft der Atomenergie vor", warnt er.