300 Professoren gegen Massentierhaltung

Der Dioxin-Skandal schürt die Ablehnung gegen Massentierhaltung, mit einem Professoren-Appell wollen die Organisatoren für einen Image-Wechsel sorgen, um den Umstieg zu einer "sozial-ökologischen Landwirtschaft zu beschleunigen

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Wenn die Wissenschaftler und Intellektuellen in unserer Republik noch etwas zu sagen haben, dann müsste der von 300 Hochschulprofessoren und Tausenden anderen Menschen bereits unterschriebene Appell für den "Ausstieg aus der Massentierhaltung" und den Umstieg zu einer "sozial-ökologischen Landwirtschaft" zumindest eine kleine Diskussion auslösen. Allerdings werden wir von Petitionen und Appellen überflutet, sollen hier und dort unterschreiben, Wirkung meist gegen Null. Dass die Professoren als Berufsgruppe herausgestellt werden, soll für größere Medienaufmerksamkeit sorgen und einen "Image-Wechsel" bewirken, der den Widerstand gegen die Massentierhaltung aus der gewohnten Ecke der Naturschützer, Umweltaktivisten, Vegetarier oder Veganer, die man nicht für Ernst nimmt, herausholen soll.

Massentierhaltung sei prinzipiell "Tierquälerei in gigantischem Ausmaß", heißt es plakativ in dem Appell. Sie bereite nicht nur den Tieren Schmerzen und Leiden, sondern trage auch zum Klimawandel bei, verschmutze die Umwelt, sei ein Brutkasten für Krankheiten, schade der Gesundheit der Menschen, verschwende Ressourcen und zerstöre die Existenzgrundlage von Bauern in Entwicklungsländern.

Man sollte auch meinen, dass nicht der Ruf nach staatlichen Vorgaben an erster Stelle stehen sollte, sondern der alltägliche Verzicht auf tierische Produkte aus Massentierhaltung oder überhaupt die Entscheidung, weniger Fleisch zu essen. Der Appell argumentiert allerdings, dass Deutschland nicht nur zum bevorzugten Standort von immer größeren Massentierzuchtanlagen wird, sondern dass individuelle Kaufentscheidungen und der Markt diesen Trend nicht ausreichend stoppen oder gar umkehren könnten. Daher bestehe politischer Handlungsbedarf, den "alle verantwortungsbewussten Menschen" einfordern müssten. Unter anderem wird gesagt, dass ohne staatliche Interventionen die Einzelnen nicht ausreichend Alternativen, beispielsweise über eine Kennzeichnung, haben werden. Noch würden auch viele Menschen Institutionen unkritisch vertrauen. Zudem gebe es die Tendenz zur "pluralistische Ignoranz". Weil man nicht über alles wirklich begründet entscheiden kann, schwimmt man mit der Masse. Und dann gebe es da noch das "Viele-Personen-Dilemma", das auch wieder konformes Verhalten herstellt, weil Entscheidungen von wenigen Einzelnen diese zwar belasten, aber kaum etwas sichtbar verändern. Also werden Länder, Bund und EU aufgefordert:

  • "Vielfalt, Gerechtigkeit und Arbeitsplätze in ländlichen Regionen – Privilegien für industrielle Tierhaltung abschaffen;
  • Klima- und Tierschutz wirksam verbessern;
  • Kennzeichnung der Haltungsform auf tierischen Lebensmitteln;
  • Agrarsubventionen nur für höhere Standards im Tier- und Umweltschutz;
  • Überproduktion abbauen, Exportsubventionen streichen."
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Anlässlich des Dioxin-Skandals dürfte auch der Aufruf der Organisatoren des Appells, an der für den 22. Januar geplanten Demonstration gegen Massentierhaltung während der Grünen Woche teilzunehmen, auf größere Resonanz stoßen. Unter dem Slogan Wir haben es satt! rufen zahlreiche Organisationen und Verbände allerdings nicht nur zur Abschaffung von "Tierfabriken" auf, sondern gleich auch zur Ablehnung von Gentechnik in der Landwirtschaft und von "Dumping-Exporten". Parteien haben sich bislang noch nicht dazu gesellt.

Man kann allerdings durchaus gegen bestimmte Formen der Massentierhaltung sein, ohne deswegen auch nur gentechnikfreie Lebensmittel haben zu wollen. Während der Professoren-Appell für eine wie auch immer geartete sozial-ökologische Landwirtschaft" eintritt, wollen die Organisatoren der Demo "eine bäuerlich ökologische Landwirtschaft in Europa und weltweit" einführen, die "tiergerecht und klimaschonend" sein soll. Der Professoren-Appell unterstützt in seiner Vision das Konzept des Netzwerks Bauernhöfe statt Agrarfabriken.