Spanien werden illegale Abschiebungen vorgeworfen

Madrid ließ eine Insel räumen, übergab die Mehrzahl der Flüchtlinge Marokko, das sie in der Wüste abgesetzt hat

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Am frühen Dienstag hat schließlich die spanische Guardia Civil eine Felseninsel geräumt, auf der 83 Flüchtlinge ausgeharrt hatten. Nachdem die "Isla de la Tierra" geräumt worden war, die nur knapp 50 Meter vor der marokkanischen Küste liegt, übergab Spanien 73 Flüchtlinge der marokkanischen Gendarmerie. Nur zwei Frauen und acht Kinder wurden, so sah es ein Abkommen zwischen beiden Ländern vor, in die spanische Exklave Melilla in ein Auffanglager gebracht, wie es alle Flüchtlinge verlangt hatten.

Der Rest der Schwarzafrikaner wurde Marokko übergeben. Dort wurden sie noch am Strand festgenommen und später gut 150 Kilometer nach Oujda verfrachtet. Von hier ging die Reise in Bussen weiter an die naheliegende algerische Grenze. Dort wurden die 73 Menschen schlicht im Niemandsland in der Wüste abgesetzt. Das ist eine übliche marokkanische Vorgehensweise. Die Flüchtlinge wurden von den Gendarmen aufgefordert, illegal die Grenze nach Algerien zu überschreiten, die aber seit 1993 geschlossen ist.

Die Gruppe von der Felseninsel blieb an der Grenze nicht allein, denn auch aus Nador waren festgenommene Flüchtlinge an diese Grenze gebracht worden. Das hat die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" bestätigt. Sie hat sich der Verletzten angenommen, die zum Teil Gipsverbände trugen oder krank waren, um sie zu behandeln. "Sie werden oft nach einer tagelangen Haft geschwächt und in einem gesundheitlich schlechten Zustand abgesetzt", erklärte David Cantero gegenüber Europa Press. Der Koordinator der Ärzteorganisation wies darauf hin, dass der Weg von der Grenze nach Oujda gefährlich und beschwerlich sei. Weil die Einreise nach Algerien unmöglich ist, haben die Abgeschobenen von der Felseninsel inzwischen zu Fuß die gut 15 Kilometer zurückgelegt und haben am Mittwoch wieder Oujda erreicht.

Das hat die marokkanische Menschenrechtsorganisation Gadem bestätigt. Die Mehrzahl habe sich zum Campus der Wirtschaftsmetropole im marokkanischen Osten begeben, weil er nicht von der Polizei betreten wird. Andere seien in umliegende Wälder gegangen. Erneut werden sie sich aber auf den Weg zu den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta machen, um weiter zu versuchen, nach Europa zu kommen. Sie werden auf eine Chance warten, den sechs Meter hohen Dreifachzaun zu überwinden, um in eine der Exklaven zu gelangen. Das haben in der Nacht zum Mittwoch fünf Menschen geschafft, als erneut eine Gruppe von etwa 25 Flüchtlingen in Melilla die Zäune gestürmt haben.

EU-Kommission überprüft die Rechtmäßigkeit der Abschiebung

Spanien wird für das Vorgehen auf der Isla de la Tierra hart kritisiert. Menschenrechtsorganisationen werfen der konservativen Regierung "illegale Abschiebungen" vor. Das spanische Flüchtlingshilfskomitee (CEAR) und SOS-Rassismus haben dagegen in einer gemeinsamen Erklärung protestiert, während die Regierung die Räumung als "modellhaft" und "erfolgreich" bezeichnet. Die CEAR-Generalsekretärin wirft Madrid vor, "gegen das spanische Ausländerrecht zu verstoßen", weshalb entsprechende Klagen geprüft würden. Estrella Galán weist darauf hin, dass Asylsuchenden keine Möglichkeit hatten, einen Antrag zu stellen. Zudem habe es keine vorgeschriebene Einzelfallprüfung gegeben. Die Flüchtlinge seien zudem einem Land übergeben worden, dass systematisch Menschenrechte missachte.

Auch die EU-Kommission hat eine Prüfung der Vorgänge angekündigt. Michele Cercone, Sprecherin von Innenkommissarin Cecilia Malmström, erklärte, Brüssel verfolge die Vorgänge. Man wolle nähere Informationen anfordern, um zu prüfen, ob internationales Recht verletzt worden sei. Man habe "Spanien und die übrigen Staaten daran erinnert, dass die Prinzipien und Verpflichtungen aus internationalem Recht respektiert werden müssen". Ausdrücklich sprach Cercone dabei die Einzelfallprüfung an.

Spanien ist in der Zwickmühle, weil es diverse Felsbrocken vor der marokkanischen Küste wie Marokko als Hoheitsgebiet beansprucht. Handelt es sich aber um spanisches Gebiet, dann müssen Flüchtlinge, die diese Inseln erreichen, genauso behandelt werden, als hätten sie eine der Exklaven oder das Festland erreicht. Unklar ist, welche Zugeständnisse gegenüber Marokko gemacht wurden, um das Königreich zur Rücknahme der Flüchtlinge zu bringen.