Angekündigte Sozialhilfe als Rohrkrepierer für spanische Sozialisten

Gut gemeint, aber fatal umgesetzt bringt das neue Sozialgeld die Regierung in Bedrängnis.

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Die spanischen Sozialisten haben mit dem Sozialgeld einen Entrüstungssturm entfacht. Letzte Woche war das Kabinett in der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammengetreten. Beschlossen wurde, dass Arbeitslose, deren Zahlungen ausgelaufen sind, für sechs Monate befristet ein Sozialgeld in Höhe von 420 Euro erhalten. Doch die Enttäuschung ist für die Mehrzahl groß, die seit Montag stundenlang in brütender Hitze vor den Arbeitsämtern stehen.

Zunächst gab es keine Antragsformulare, doch das war das kleinere Problem. Vielen Bedürftigen wurde aber eröffnet, sie hätten keinerlei Anspruch auf das Geld, das nicht einmal reicht, um die Miete oder die Hypothek zu bezahlen, damit eine Familie nach dem Jobverlust auch noch die Wohnung verliert. Es ist ein Geheimnis der Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero, warum nur die in den Genuss des Sozialgelds kommen, deren Arbeitslosengeld seit dem 1. August ausgelaufen ist.

Fast eine Million Menschen, die schon lange keine Unterstützung mehr erhalten, sind ausgeschlossen. Offiziell gibt es über vier Millionen Arbeitslose und eine Quote von über 18 Prozent. Etwa 1,2 Millionen erhalten kein Geld mehr, weil es, außer im Baskenland, keine Sozialhilfe wie in Deutschland gibt. Die finden es nicht lustig, dass nur gut 300.000 das Geld erhalten sollen, die bisher noch Arbeitslosengeld bezogen haben. Vor dem geballten Unmut, der nun auf die Sozialisten (PSOE) einprasselt, erklärte ein gestresster Vizegeneralsekretär José Blanco zunächst, die Regierung "wird sich bemühen, die Menschen besser über die Extrahilfe mit 420 Euro zu informieren". Das war ein neuer Schlag ins Gesicht der Not leidenden Familien, denn die brauchen keine Information, sondern Hilfe. Sie erinnern Zapatero daran, dass er beim Ausbruch der Krise versprochen hatte: "Die Regierung wird keine Familie ihrem Schicksal überlassen."

Der Unmut mündet nun auch in massive Proteste. Eine kämpferische Landarbeitergewerkschaft blockierte am Donnerstag mit 800 Anhängern im südspanischen Cordoba eine Schnellzugstrecke, um gegen die "heiße Luft" der Regierung zu protestieren. Dieses Sozialgeld bezeichneten sie als eine "Beleidigung" und besetzten auch eine Bank, um darauf hinzuweisen, dass die Regierung Milliarden für die Rettung von Banken und für Konjunkturprogramme zahlt, aber für das Sozialgeld nur 642 Millionen Euro. Im Haushalt 2009 werden für die Bankenrettung 29 Milliarden veranschlagt und 2010 sollen es sogar bis zu 90 Milliarden werden.

Zapatero rudert nun zurück: "Wenn man etwas modifizieren muss, werden wir das tun", erklärte er vom Urlaubsort Lanzarote. Arbeitsminister Celestino Corbacho, dessen Stuhl nun wackelt, weil Zapatero ihm die Schuld für das Debakel zuschieben wird, versucht zu beschwichtigen. Man werde aber nur den Stichtag nach hinten verschieben, ein allgemeines Sozialgeld für sechs Monate werde es nicht geben. Damit widerspricht er Zapatero. Der meint, "es werde alle Menschen umfassen, die es benötigen". Das ließe sogar vermuten, dass auf die ausgeweitet wird, die nie Anrecht auf Arbeitslosengeld hatten.

Da sind zum Beispiel die Selbständigen. Seit Jahren wird ihnen versprochen, sie könnten durch freiwillige Zahlungen in die Arbeitslosenkasse einen Anspruch erwerben. Doch das wurde in der letzten Sitzung erneut vertagt. Denn für neue Hilfen muss aber erst wieder Geld in die Kasse fließen, weil die Verschuldung explodiert. So werden Steuererhöhungen angekündigt. Statt wie kürzlich Verbrauchssteuern wie Tabak und Treibstoff anzuheben, sollen nun die Reichen zur Kasse gebeten werden. Die Großverdiener müssten "den Gürtel enger schnallen", sagte Blanco populistisch, um dem Entrüstungssturm zu begegnen. Die Frage ist nur, warum die Regierung letztes Jahr die Vermögenssteuer abgeschafft hat?

Realsatirisch ist auch die Reaktion der ultrakonservativen Volkspartei (PP). Die große Oppositionspartei hatte in acht Regierungsjahren trotz Rekordarbeitslosigkeit nie etwas für Arbeitslose getan und sogar versucht, deren Rechte über eine dekretierte Arbeitsmarktreform weiter zu beschneiden. Die kritisierte zwar die Tatsache, dass viele von der Hilfe ausgeschlossen sind, doch nun behauptet sie, Steuererhöhungen zur Ausweitung des Sozialgelds seien "ein brutaler Angriff auf die Beschäftigung und die Arbeitslosen". Der PP-Sprecher Javier Arenas empfiehlt der Regierung: "Austerität in der Verwaltung, Reformen und Steuersenkungen."