Wirkungslose Dreifachkeule

Ein verheißungsvolles Antidepressivum scheitert in der entscheidenden Studie. Der Fall zeigt erneut, wie wenig verstanden die Chemie des Gehirns ist

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Die pharmakologische Intervention bei leichten und schweren Depressionen beruht seit Jahrzehnten auf einer einfachen Rechnung. Sobald dem Gehirn mehr eines Botenstoffs wie Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin zur Verfügung steht, so die Annahme, hellt sich die Stimmung des Patienten auf. Die Mehrzahl der modernen Antidepressiva beruht auf diesem Prinzip der Steigerung des Neurotransmitterhaushalts. Das Problem ist nur: Diese Theorie ist ungenügend, vielleicht sogar gänzlich falsch. Nicht alle Depressiven leiden an Serotoninmangel, zudem führt die künstliche Absenkung des Botenstoffs nicht zur Depression und verschlimmert auch nicht die Symptome.

Seit einigen Jahren arbeitet man sich trotzdem an pharmazeutischen Breitbandmitteln ab, die den Abbau gleich mehrerer Neurotransmitter verhindern. Das oft verschriebene Venlafaxin beispielsweise blockiert den Abbau von Noradrenalin und Dopamin, während das bekannte Fluoxetin ("Prozac") nur Serotonin beeinflusst. Im letzten Jahr gab der Hersteller GlaxoSmithKline sich zuversichtlich, einen neuen und potenten Botenstoff-Wiederaufnahmehemmer in der Pipeline zu haben, der den Zugriff auf gleich drei Neurotransmitter fördert: Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Eine nun veröffentlichte Studie mit dem neuen Kandidaten dürfte für Kopfzerbrechen sorgen, denn die behandelten Patienten gesundeten langsamer als mit Placebo. Die Substanz mit dem Forschungsnahmen GSK372475 war nicht wirkungslos - sie führte immerhin zu diversen Nebenwirkungen.

Wieder einmal zeigt sich, das Gehirn ist nicht nur kompliziert, sondern komplex. Einige Pharma-Konzerne streichen gleichwohl die Mittel für die nötige Grundlagenforschung und weisen auf Untersuchungen hin, die doi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0007015: bewiesen haben wollen, dass Grundlagenforschung nicht zur vermehrten Entwicklung neuer Arzneimittel führt.