Du Du Du... sagt der Provider- oder knipst die Leitung durch

Außer Kontrolle

Immer wenn man denkt, da geht nichts mehr, kommt von irgendwoher erneuter Schwachsinn her. Anders lassen sich die neuen EU-Ideen fürs Internet kaum erklären.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Zum Thema: EU will Internet beschränken usw. usf. EU Pläne zur Internetüberwachung

Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie man zu manchen Dingen noch etwas möglichst Ruhiges, Sachliches schreiben soll. Da sitzt man also da, bemüht sich die koffeeingedopten Finger ruhig zu halten und nicht mit 400 Anschlägen oder mehr pro Minute (eine Quote, für die jeder Terrorist dankbar wäre) einen Rant einzutippeln, um noch einmal die Argumente, die doch schon vor zig Jahren ausgetauscht wurden, wie das Skelett aus dem Schrank hervorzuholen, durchzuschütteln, den Staub abzuwischen und dann das Ganze wieder mit gesittetem Lächeln denjenigen vorzusetzen, die schon vor zig Jahren dieses Gericht angeboten bekamen und mit süffisantem "nicht gut genug für uns, wir haben unseren eigenen Geschmack" (und unsere eigenen Sponsoren für das Menü hier) ablehnten.

Internetfilter, Provider, die einem über die Schulter schauen und "Du Du Du" schreien oder als Schere in der Hand der Rechteverwerter die Leitung schnippschnapp durchschneiden, Förderung legaler Inhalte usw. usf - eigentlich fehlt nur noch der Ruf nach der Sendezeitbeschränkung, um dem geneigten Bürgerrechtler die Haare büschelweise ausgehen zu lassen.

Darf es noch etwas mehr sein? Aber sicher, die EU-Komission lässt sich nicht lumpen und greift mit langem Arm und noch längeren Krallen nach dem bedauerlicherweise nicht durch Patente geschützten Verfahren "three strikes and you are out", um insbesondere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern oder aber zu sanktionieren. Wow! Die Verhältnismässigkeitsidee in Bezug auf Gesetze liegt röchelnd am Boden und bittet um Beachtung, während die um sie herum installierten Überwachungskameras "Kollabierender Patient, voraussichtlich betrunken, kein Eingreifen erforderlich" melden. Derweil sitzt die EU-Komission im Sonderzug nach dem Ort, der mit "Geistiges Eigentum über alles" all seine Besucher grüsst, auch diejenigen, die im Güterwagen eingepfercht nicht gefragt wurden, ob sie überhaupt mitfahren wollen.

In Deutschland darf das Bundesverfassungsgericht, was noch gerade eben festgestellt hat, dass das Internet und der Computer für die Entwicklung der Persönlichkeit immer wichtiger werden, dann auch leise "Servus" sagen, während der Provider als Hilfssheriff sich den Denunziationsstern an die Brust tackern darf. Ein paar Logfiles, ungeprüft, und schon wird aus dem Laden X kritisierenden Herrn ein Urheberrechtsverletzer und Laden X dankt für die (un)willig laut Gesetz übergebenen Providerdaten, während der Kritiker unter dem Tisch sitzt, die Kabel überprüft und sich fragt, wieso das Netz mal wieder tot ist und ob er jetzt etwa beim nächsten Internetcafe seine DNS-Probe abgeben muss, damit das Netzverbot denn auch weltweit durchsetzbar ist.

Der nächste Vertrag bei einem Provider wird dann in USA-ähnlicher Manier die Frage beinhalten, ob man denn einen terroristischen Anschlag pla--- ach nee, das war was anderes. Die Frage, ob man denn schon eine Urheberrechtsverletzung begangen hat - man wird sich an den zitternden biometrisch erfassten Fingern abzählen können, welches Kochrezept, welches Bild eines belegten Brötchens denn schon den Faden, an dem das Damoklesschwert der Netztrennung hängt, verkürzt hat. Wenn man das alles aufs Telefon überträgt, wird man vielleicht demnächst keinen Notruf mehr absenden können, weil man einmal zu oft ein urheberrechtlich geschütztes Werk gesungen hat. Da benötigt man auch keine Sterbehilfe mehr - einfach dreimal Sarah Connor hoch- und runterladen, sich erwischen lassen und dann zusehen, wie mit einem fröhlichen "Tut uns leid, wir haben unsere Befe... Gesetze" der Netzzugang und der Telefonzugang zusammenbrechen, während man noch in kurzfristiger geistiger Nichtumnachtung denkt: "Vielleicht wird ja alles besser, diese Suizidsache hier war echt nicht klug."

Und hoch droben erhebt sich der Götze des schnöden Mammons und die Fratze des geistigen Eigentums verzerrt sich in bissigem Lachen der Verachtung, wenn der Stalker oder Denunziant oder Betrüger sich wieder ins Netz einwählen, während der Urheberrechtsverletzer mit einem Netzzugangsverbot belegt wird. Und Verhältnismässigkeit, Achtung vor dem Leben oder auch die Achtung von Dingen wie Informationsfreiheit oder Privatsphäre gibt es als Opfergabe zum Frühstück, heruntergespült mit den in Prosecco-to-go aufgelösten Inhalten der schwarzen Köfferchen. Prost.