Zugespitztes Zitat von Ex-Tagesschau-Sprecherin war rechtmäßig

Eva Herman scheitert auch am Bundesverfassungsgericht

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Die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Bischoff (bekannt als "Eva Herman"), die eine Zweitkarriere als konservative Buchautorin einschlug, hatte sich 2007 zunächst erfolgreich gegen die Berichterstattung des Hamburger Abendblatts gewehrt. Im Rahmen einer Pressekonferenz zur Buchpräsentation „Das Prinzip Arche Noah - Warum wir die Familie retten müssen“ hatte die Autorin die Journalisten wissen lassen:

„Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das - alles was wir an Werten hatten - es war ´ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle - aber es ist eben auch das, was gut war - das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben.“

Die Moralpredigt einer viermal verheirateten Hobby-Philosophin über den Stellenwert der Familie im Kontext des Dritten Reiches war dann doch ein bisschen viel. So schrieb das Hamburger Abendblatt unter der Überschrift „Eine Ansichtssache“:

„(...) In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende.“

LG Köln und OLG Köln: Falschzitat

Das Landgericht Köln hielt dies für ein Falschzitat und sah eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Form der Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Wort. Derartiges läge auch dann vor, wenn die Wiedergabe einer Äußerung, die mehrere Interpretationen zulässt, zwar einer aus der Sicht des Durchschnittslesers vertretbaren Deutung folgt, aber auch ein anderes Verständnis möglich ist, das die Rechte des Zitierten besser wahrt, und der Zitierende bei seiner Äußerung nicht kenntlich macht, dass es sich um seine Interpretation einer mehrdeutigen Aussage handelt. Das gelte sogar, wenn die Interpretation noch vertretbar, wenn aber ein Verständnis möglich ist, das dem Zitierten gerechter wird. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung folge daraus, dass der Kritiker dem Rezipienten vorenthalte, dass der Zitierte die Äußerung mit anderer Tendenz auf den Weg gebracht habe. Je stärker ein Missverständnis den Zitierten belasten kann, umso mehr bedürfe es des Interpretationsvorbehaltes. Die Klägerin habe sich, so das das Landgericht Köln, im Hinblick auf die Wertschätzung der Mutter positiv über die Zeit des Nationalsozialismus geäußert. Es bestehe jedoch auch die – nach Auffassung der Kölner Pressekammer näher liegende Interpretationsmöglichkeit – wonach die Klägerin letztlich ausdrücken wollte, dass die 68er auch gute Werte abgeschafft hätten, die vor, während und nach dem Nationalsozialismus bestanden haben, nämlich Kinder, Mütter, Familie und Zusammenhalt. Das unkorrekte Zitat habe nicht nur das Recht der Klägerin am eigenen Wort verletzt, sondern sie in einem falschen, herabwürdigenden Licht erscheinen lassen.

Damit nicht genug, sprach das Landgericht Köln sogar einen Anspruch auf Geldentschädigung i.H.v. 10.000,- € zu, da der Ruf der Klägerin, auf den sie als Autorin und Moderatorin angewiesen sei, irreparablen Schaden genommen habe. (Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfolgt äußerst selten, meistens im Zusammenhang mit Äußerungen über die Intimsphäre.)

Das Oberlandesgericht Köln erhöhte sogar noch auf 25.000,- € (beantragt waren sogar 50.000,- €) und gab dem beklagten Verlag den Abdruck einer Richtigstellung auf. Die eigentliche Äußerung gehe aus dem Artikel nicht hervor. Die darin enthaltene beanstandete Äußerung werde nicht als subjektive Deutung der den Artikel verfassenden Journalistin, sondern als die einer Interpretation nicht bedürftige eindeutige – tatsächlich so gemachte - Erklärung der kritisierten Klägerin dargestellt. Sie sei daher als "Falschzitat" einzuordnen, dessen Aufstellen und Verbreiten der Kritisierte, dem die Äußerung zugeschrieben wird, auch unter Berücksichtigung der Interessen der Meinungs- und Pressefreiheit nicht hinnehmen müsse, solange nicht durch einen "Interpretationsvorbehalt" deutlich werde, dass es sich um die Interpretation des Kritikers einer – mehrdeutigen – Erklärung des Kritisierten handelt, und damit letztlich der Charakter der dem Kritisierten eine – eindeutige - Erklärung zuschreibenden Äußerung als "Falschzitat" entkräftet werde.

BGH und BVerfG: zulässiges Zitat bzw. erkennbare Meinungsäußerung

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, leidgeprüft von den pressefeindlichen Urteilen eines norddeutschen Gerichts, mochte dem im Ergebnis nicht folgen. Es handele sich gerade nicht um ein Falschzitat. Die Äußerung lasse im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen habe. Gegenstand der Äußerung ist der Umgang mit Werten, vor allem dem "Bild der Mutter". In Satz 2 der Äußerung fordere die Klägerin, das Bild der Mutter in Deutschland wieder wertzuschätzen, und stelle einen Bezug zum Nationalsozialismus und der 68er-Bewegung her. Diesen Bezug erläutere sie im nachfolgenden Satz dahingehend, dass mit den 68ern praktisch alle bis dahin vorhandenen positiven Werte wie Kinder, Mütter, Familien und Zusammenhalt abgeschafft worden seien. Zugleich charakterisiere sie in einem Einschub den Nationalsozialismus als grausame Zeit, in der "ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker" das deutsche Volk ins Verderben geführt habe, in der es aber noch die genannten positiven Werte gegeben habe. Der Einschub mit Hinweis auf die grausame Zeit und einen Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt habe, mache deutlich, dass die Klägerin sich grundsätzlich vom Nationalsozialismus distanziere, jedoch nicht von dem, "was gut war".

Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Verfassungsbeschwerde der gekränkten Autorin nunmehr nunmehr nicht zur Entscheidung an und wies darauf hin, dass der Artikel im Hamburger Abendblatt schon mit „Eine Ansichtssache“ über- und insgesamt in einem süffisanten Ton geschrieben sei. Der Leser erkenne, dass es sich um eine verkürzende und verschärfende Zusammenfassung der Buchvorstellung handele. Vor diesem Hintergrund sei das Recht der Beschwerdeführerin am eigenen Wort gewahrt; ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht habe hinter die Meinungsfreiheit des Zeitungsherausgebers zurückzutreten. Die Beschwerdeführerin, der es nicht gelungen sei, sich unmissverständlich auszudrücken, müsse die streitgegenständliche Passage als zum „Meinungskampf“ gehörig hinnehmen.