Israelischer Luftangriff auf Konvoi im Libanon

Am 30. Januar 2013 bombardierten israelische Kampfjets einen Fahrzeugkonvoi im südlichen Libanon. Die Kolonne kam aus Syrien und hatte – nach Pressemeldungen – Waffensysteme für die Hisbollah geladen

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Der Luftangriff erfolgte am 30. Januar 2013 gegen 3.00 Uhr morgens Ortszeit. Beteiligt waren vier israelische Jagdbomber vom Typ F-15. Ziel des Angriffs war ein syrischer Lkw-Konvoi, der gerade die syrisch-libanesische Grenze passiert hatte und heimlich Waffen für die Hisbollah in den Libanon bringen sollte. Entgegen ersten Befürchtungen handelte es sich bei der Ladung nicht um Chemiewaffen, die die syrische Führung außer Landes bringen wollte, sondern um Flugabwehrraketen.

Nach Angaben der israelischen Tageszeitung Haaretz transportierten die Lkw das Flugabwehrsystem mit dem NATO-Code SA-17 Grizzly. Sollte diese Meldung prinzipiell richtig sein, dann sind damit wohl die Exportversionen vom Typ 9K317E BUK-M1-2 oder vom neueren Typ 9K317E BUK-M2E gemeint. Beide Versionen sind auch unter der Bezeichnung "Ural" bekannt. Es handelt sich um ein FlaRak mittlerer Reichweite.

Die syrische Regierung hatte bereits 2004 mit Russland einen Vertrag über die Lieferung des FlaRak-Systems Grizzly abgeschlossen. Im August 2007 wurden dann die ersten Exemplare geliefert. Die letzte Lieferung von BUK-M2E erfolgte erst im Sommer 2012. So setzt die russische Regierung ihre Waffenlieferungen trotz des andauernden Bürgerkrieges fort. Statt der üblichen Handelsschiffe werden auch Kriegsschiffe der russischen Marine, die sich zu Flottenübungen im östlichen Mittelmeer aufhalten, zum heimlichen Waffentransport eingesetzt. Heutzutage soll das syrische Luftverteidigungskommando 9 Batterien mit BUK-M2E besitzen, allerdings ist ein unbekannter Teil der Soldaten desertiert.

Das Flugabwehrraketensystem Grizzly besteht aus mehreren Komponenten: Ein Führungsfahrzeug, ein Werferfahrzeug mit vier Raketen, ein Radarfahrzeug etc. Die Raketen vom Typ 9M317E haben eine Reichweite von maximal 50 Kilometer und tragen einen Splittergefechtskopf mit einem Gewicht von circa 70 kg. Welche Komponenten in dem attackierten Konvoi transportiert wurden, ist nicht bekannt.

Die israelische Luftwaffe hatte den heimlichen Waffentransport wohl schon erwartet. Eine erste Welle von vier Kampfflugzeugen drang bereits am Dienstag um 16.30 Uhr in den libanesischen Luftraum ein, diese wurde um 20.30 Uhr von vier weiteren Maschinen abgelöst, bis dann um 2.00 Uhr die vier Angriffsflugzeuge in den libanesischen Luftraum eindrangen. Auch nach ihrem "Strike"-Einsatz patrouillierten die vier Jagdbomber noch bis 7.55 Uhr über libanesischem Gebiet.

In den frühen Abendstunden haben mehrere israelische Jagdbomber das Militärforschungszentrum Dschamjara nordwestlich von Damaskus im Tiefflug angegriffen. Der Gebäudekomplex wurde zerstört, zwei Mitarbeiter starben, fünf wurden verletzt.

Der Angriff auf den mutmaßlichen Waffentransport erfolgt zu einem Zeitpunkt, da die Spannungen in Syrien zunehmen. Erst im Dezember 2012 hatte die NATO die Einschätzung verbreitet, dass ein Sturz von Baschar al-Assad bald erwartet werde. Und am 30. Januar 2013 warnte der UN-Sonderbeauftragte Lakhdar Brahimi auf der internationalen Geberkonferenz in Kuwait: "Das Land bricht vor aller Augen Stück für Stück auseinander. Die Tragödie muss ein Ende finden."

Erst am Sonntag, den 27. Januar 2013, hatte der israelische Vizepremier Silvan Shalom in einem Interview mit dem israelischen Truppenradio mit israelischen Luftangriffen gedroht. Dazu berichtete die Jerusalem Post:

"Should Lebanon's Hezbollah guerillas or rebels battling forces loyal to Syrian President Bashar Assad obtain Syrian chemical weapons, Shalom told Israel's Army Radio, "it would dramatically change the capabilities of those organizations."

Such a development would be "a crossing of all red lines that would require a different approach, including even preventive operations," he said – alluding to military intervention, for which Israeli generals have said plans have been readied."

Schon im November 2012 war es im Bereich des Golan-Gebirges mehrfach zu israelisch-syrischen Grenzscharmützeln gekommen.

Derweil dauern die diplomatischen Bemühungen zur Beilegung des Konfliktes hinter den Kulissen an. So reiste der Vorsitzende des israelischen Nationalen Sicherheitsrates und Ex-Agent Yaakov Amidror am 28. Januar nach Moskau, um mit der russischen Führung über die Lageentwicklung in Syrien und die Gefahren des dortigen Chemie- und Raketenarsenals zu debattieren. Einen Tag später flog der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes Agaf HaModi'in (AMAN), Generalmajor Aviv Kochavi, in die andere Richtung nach Washington, um dort mit dem CJCS General Martin Dempsey über die Lageentwicklung zu konferieren.

(Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit.)