Ägypten: Regime scheint sich auf die Niederschlagung der Proteste vorzubereiten

Die gezielte Jagd auf Journalisten und das Zulassen der Gewalt, während man gleichzeitig alle Schuld von sich weist und auf eine Verschwörung schiebt, sprechen dafür

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Das ägyptische Regime spielt alle Möglichkeiten aus, die Protestbewegung zu unterdrücken. Der entscheidende Tag dürfte der Freitag werden, an dem wieder Massenproteste stattfinden sollen und das Ultimatum der Protestbewegung für den Rücktritt Mubaraks abläuft.

Der neue Regierungschef Ahmed Schafik und der Vizepräsident Suleiman machen auf "good cop, bad cop", wie al-Daschasira kommentiert. Aber Suleiman fährt nun auch eine andere Taktik. Er verkündete, dass weder Mubarak noch sein Sohn zur nächsten Wahl antreten werden, die im August oder September stattfinden soll, aber er versuchte nun auch, sich von den Pro-Mubarak-Schlägerbanden zu distanzieren und sie als Teil irgendeiner Verschwörung darzustellen, die möglicherweise nicht nur von bestimmten Kreisen im Inland, sondern auch von Ausland gesteuert werde. Das Militär habe bislang nicht eingegriffen, weil es auf solche Einsätze nicht vorbereitet sei. Glauben mag man Suleiman nicht wirklich, der aber derzeit auch versuchen könnte, sich ein wenig von Mubarak zu lösen, um nicht mitgerissen zu werden.

Schafik versucht sich derweilen als der gute, aber unschuldige Mensch der Regierung darzustellen. Er bietet Verhandlungen mit der Opposition an, weiß aber sehr wohl, dass diese Verhandlungen ablehnen muss, solange Mubarak im Amt ist, weil sie sonst ihre Glaubwürdigkeit verlieren würde. bedauert die Gewalt und kündigt an, die dafür Verantwortlichen zu bestrafen. Die findet er in der abgesetzten Regierung, einige Minister dürfen angeblich das Land nicht verlassen, ihre Konten wurden gesperrt. Die neue Gewaltstrategie, die immer noch andauert, setzte allerdings erst mit der neuen Regierung ein.

Da morgen wieder Massenproteste in Kairo zu erwarten sind – heute sollen bereits in Alexandria Hunderttausende Regime auf die Straße gegangen sein, aber alle Augen sind derzeit auf Kairo ausgerichtet -, hat die Gewalt weiter zugenommen, das Militär hat sich am Tahrir-Platz eine Zeitlang zwischen den Mubarak-Mob und den Regimegegnern gestellt und diese getrennt. Aber man will sich noch nicht in die Kämpfe hineinziehen lassen und lässt nun auch Schießereien zu. Mittlerweile beginnt sich das Chaos auszubreiten und werden auch die zuvor friedlichen Regimegegner militanter und rüsten sich auf, eine andere Wahl haben sie nicht, wenn sie den Platz nicht räumen wollen.

Schließlich will die Generalität auf der richtigen Seite stehen und ihre Pfründe sichern. Nicht nur sind Vizepräsident, der Regierungschef und weitere Minister Militärs, man kann aus der Haltung der Armee auch sehen, dass sie alles andere macht, als die demokratische Bewegung zu unterstützen. Man darf spekulieren, dass das Militär darauf setzt, mit oder ohne Mubarak eine Militärregierung fortzusetzen. Gegenüber dem Ausland und dem eigenen Volk hätte man die besseren Chancen, wenn man keine Position bezieht, sondern nach dem inszenierten Chaos als Retter auftritt. Mubarak kann dabei sicher auch als Sündenbock dienen.

Keine guten Nachrichten sind es, dass nun Sicherheitskräfte und der Mob vor allem seit heute gezielt Jagd auf Journalisten machen, diese prügeln, festnehmen und ihre Kameras vernichten. Auch in das nahe am Tahrir-Platz gelegene Hilton-Ramses-Hotel sind Sicherheitskräfte eingedrungen und durchsuchen es nach Reportern und Kameras. Von dem Hotel aus haben ausländische Reporter immer wieder Filme über die Geschehnisse auf dem Platz gemacht, auf dem sich auch Morgen wieder die Proteste in Kairo konzentrieren werden. Zudem wurden auch Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen verhaftet, darunter auch von Amnesty International und Human Rights Watch.

Das dürfte bedeuten, dass morgen die Protestbewegung zerschlagen werden soll und man dies möglichst ohne Bilder machen will. Das erinnert alles nicht nur an die Niederschlagung der Proteste im Iran, sondern auch in Myanmar. Und das wären keine erfreulichen Aussichten, zumal die westlichen Regierungen es weiterhin vorziehen, als mahnende Beobachter zuzuschauen. Auch damals hatten viele Menschen auf Veränderungen im Iran und in Myanmar gehofft, danach kehrte wieder Friedhofsruhe ein. Bei Ägypten liegt der Fall aber anders, hier hätten die westlichen Regierungen und vor allem das Weiße Haus Interventionsmöglichkeiten, sie könnten beispielsweise die Geldhähne zudrehen.